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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Autoren: Claus Riemann
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geschehen wird, so in Ordnung ist; das Gefühl, geführt zu sein, indem man sich dem Strom des Lebens anvertraut und nicht gegen ihn anschwimmt. Leid bringt Neptun vor allem dann, wenn das bewusste Ich sich gegen den Strom des Lebens stellt. Wenn der innere Quatschkopf, der sagt »more, better, different« – ich will mehr, ich will’s besser, ich will’s anders -, zu viel Macht bekommt, wenn man dem Leben vorschreiben will, wie es gefälligst sein soll, dann hat man in neptunischer Hinsicht verloren. Neptun kann sich nur zum Freund machen, wer bereit ist, Kontrolle aufzugeben, und das löst besonders bei willensbetonten Menschen, beim Helden-oder Amazonentypus, ein Gefühl der Ohnmacht aus. Wer bereit ist, Hilflosigkeit in Hingabe zu verwandeln, wird mit Vertrauen belohnt, einem Geschenk, das man erst dann bekommt, wenn man die Ruder seines Bootes über Bord wirft und sich von den Strömungen dorthin treiben lässt, wo das Meer es will.

Die Füße
    Die Körperentsprechung des Fische-Prinzips sind die Füße, aber weniger in der Bedeutung von »grounding« – mit beiden Füßen oder Beinen fest auf der Erde stehen. Oskar Adler hat eine Parallele gezogen zur Fußwaschung in der Bibel, bei der Christus seinen Jüngern die Füße wäscht. Er sagt, es gehe bei der Fußwaschung um die Reinigung von all dem Erdenschmutz, der vom Leid der Menschheit und den Schlacken der Vergangenheit stammt. Mit den Füßen berühren wir den Erdenschmutz, symbolisch gesehen das Leid der Welt.
    Die reinste und tiefste Verkörperung des Fische-Archetyps war sicherlich Christus. Wir hatten in den letzten 2000 Jahren das Fische-Zeitalter, was bedeutete, dass der Frühlingspunkt sich im Sternbild Fische befand, heute stehen wir am Übergang zum Wassermann-Zeitalter. C. G. Jung erläutert in seinem Buch Aion viele Parallelen zwischen Fische-Symbolik und Christentum.

Mojud oder Die innere Stimme
    Ich möchte jetzt eine Geschichte erzählen, die den Fische-Selbstfindungsweg sehr gut darstellt. Ein Mann namens Mojud führt als einfacher Beamter ein unauffälliges Leben in einer kleinen Stadt. Eines Tages begegnet ihm auf einer Wanderung der mysteriöse Sufi-Meister Khidr und sagt zu ihm: »Gib deinen Job auf und triff mich in drei Tagen am Fluss.« Mojud tut das, begegnet Khidr am Fluss, und dieser sagt zu ihm: »Spring in den Fluss, vielleicht wird dich jemand retten.« Mojud, der kaum schwimmen kann, springt in den reißenden Fluss und wird weit fortgetrieben und in einer fernen Gegend, die er überhaupt nicht kennt, von einem Fischer gerettet. Er lebt dann eine Zeit lang bei dem Fischer und bringt ihm Lesen und Schreiben bei, dafür darf er dort wohnen. Dann begegnet ihm Khidr wieder und sagt: »Verlasse diesen Fischer, geh ins Land und diene einem Bauern.« Auch das tut er, und nachdem er einige Jahre bei dem Bauern gelebt hat, erscheint ihm Khidr erneut und sagt: »Nimm dein Erspartes, geh in die nächste große Stadt, und werde dort Pelzhändler.« Wieder tut Mojud wie ihm geheißen. Er wird ein reicher, angesehener Mann, bis ihm eines Tages wieder Khidr begegnet und ihm sagt: »Verschenk dein Geld an die Armen, geh in die nächste Stadt, und diene dort in einem Krämerladen.« Wieder befolgt Mojud die Anweisungen, und allmählich stellen sich bei ihm unzweifelhafte Anzeichen von Erleuchtung ein. Er wird so weise, dass viele Menschen zu ihm pilgern und seinen Rat suchen, er hat jetzt auch Heilkräfte, und Menschen kommen zu ihm, um sich heilen zu lassen, und viele Leute wollen wissen: »Bei wem hast du gelernt, welche Art von Meditation hast du verwendet, wie konntest du dich so weit entwickeln?« Mojud sagt: »Ich kann euch schon sagen, wie ich mich so weit entwickeln konnte. Ich bin in einen Fluss gesprungen, habe bei einem Fischer gelebt, einem Bauern gedient, war Pelzhändler, und jetzt bin ich hier.« »Aber das erklärt doch nicht die Entwicklung, die du gemacht hast!« Da sagt Mojud: »Da habt ihr eigentlich Recht.«
    Das ist eine typische Fische-Geschichte. Khidr, der alte Weise, repräsentiert innere Führung. In Märchen spielt ja die Gestalt des alten Weisen oder der alten weisen Frau oft eine wesentliche Rolle für die innere Entwicklung der Märchenfiguren, und die Fische-Heldentat besteht darin, bedingungslos den Ratschlägen dieser Gestalten zu folgen. Ähnlichkeiten mit dieser Geschichte finden sich in der Erzählung Siddharta von Hermann Hesse.
    Wichtig ist hier auch die Haltung der absoluten Absichtslosigkeit. Hätte
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