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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Autoren: Claus Riemann
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    Der Fische-Monat ist der letzte im Jahreszeitenzyklus. Das astrologische Jahr beginnt mit dem Eintritt der Sonne ins Zeichen Widder und endet mit dem letzten Wintermonat Fische. Widder ist als erstes das rücksichtsloseste Zeichen (siehe Parzival), Fische als letztes das rücksichtsvollste. Elf Jahresmonate und damit elf Seelenlandschaften sind durchwandert worden, die man rückblickend verstehen und in die man sich einfühlen kann. Nun schließt sich der Kreis, und nicht zufällig gehört zu Fische von der Symbolik her der Ozean, das Meer: Es geht in sehr tiefem Sinne hier um Rückkehr zum Ursprung.
    Das könnte man auch am Motiv der Geburt beleuchten. Aus der Sichtweise des Widders ist Geborenwerden der Sieg des Lichten über die Finsternis. Das kleine Wesen hat sich erfolgreich durch den dunklen Tunnel des Geburtskanals gekämpft. Aus der Fische-Sicht hingegen ist Geborenwerden die Quelle allen Leids. Im Mutterleib war noch ozeanisches Erleben, Symbiose. In dem Moment, wo man den Mutterbauch verlässt, abgenabelt wird, wird einem schmerzlich bewusst, dass man einsam, ausgestoßen ist. Forscher und Therapeuten, die sich mit dem Thema Geburt befasst haben, erzählen, dass Geborenwerden die Hölle ist. Sterben heißt ja auch Heimkommen, und Menschen, die schon einmal in der anderen Welt waren, sind in der Regel nicht gerne zurückgekommen.
    Fische-Geborene kommen mit dieser Ursehnsucht und diesem Urschmerz auf die Welt. Aus diesem Schmerz, diesem Leid heraus, das keinen Namen hat, haben sie eine tiefe Verbindung zu allen Leidenden der Erde, zu allen Menschen, die ausgestoßen sind wie sie. Das Bild des ewigen Juden taucht hier auf. Das kollektive Leid, das Leid der Welt ist das Thema der Fische. Der Menschheit ganzer Jammer rührt sie an. Ein Fische-betonter Mensch kann nicht einfach im wassermännischen Sinne sagen: Das geht mich nichts an, jeder Mensch hat sein Leben. Hier ist man als Salzkorn im Wasser seelisch mit allem verbunden, was existiert. Alles geht ihn etwas an, und solange noch ein Mensch auf diesem Planeten leidet, wird es für ihn schwer sein, unbefangen zu genießen.
    Die Rückseite dieses Leidens am Leben, das aufgrund der unzähligen Ablenkungsmöglichkeiten mehr oder weniger bewusst sein kann, ist die Sehnsucht, zum Ursprung zurückzukehren. Wieder ein Tropfen im Ozean zu werden, wie die Inder sagen. Das kann auf den spirituellen Weg, einen Weg der Meditation, führen, aber auch zu Sucht oder Weltflucht. In gewisser Hinsicht ist der Realitätsbegriff unserer westlichen Welt für Fische nicht geeignet. Zu Osho, dem alten indischen Meister, kam einmal ein Suchender und fragte ihn: »Meine Freunde in Deutschland werfen mir vor, ich sei ein Realitätsflüchtling, weil ich zu dir nach Poona gekommen bin. Haben sie Recht?« Osho antwortete: »Natürlich haben sie Recht – aber nicht so, wie sie meinen. Du flüchtest nicht vor der Realität, sondern in die Realität.« Wie Realität im Sinne des Fische-Prinzips erlebt werden kann, hat mir einmal ein kleines Mädchen gezeigt, das uns besuchte. Die Kleine war sehr Fische-betont, und als ich sie weckte und zum Frühstück holen wollte, fragte ich: »Na, wie hast du denn geschlafen?« Sie meinte: »Danke, ich habe gut geschlafen. Ich bin gestern Abend schon ganz früh eingewacht.« So viel zum Realitätsbegriff des Fische-Prinzips.

Das Chamäleon
    Wenn wir uns das Fische-Symbol näher ansehen, das aus zwei gegenläufig übereinanderliegenden Fischen besteht, können wir daran etwas von der inneren Realität des Fische-Menschen begreifen. Oskar Adler hat dieses Fische-Paar mit einem Magnetnadel-Paar verglichen, bei dem Nord-und Südpol sich neutralisieren. Es hat dann keine Eigenrichtung mehr, ist aber hoch sensibel für alle magnetischen Einflüsse aus dem Umfeld. Woher die Strömung oder der Einfluss auch kommt, das Magnetnadel-Paar schlägt in die jeweilige Richtung aus. Auf menschliches Lebensgefühl übertragen entsteht das Bild eines Menschen ohne Ich, ohne Zentrum, dafür mit einer extremen Durchlässigkeit und Empfänglichkeit für alles, was von außen kommt. Die Grundhaltung, die in diesem Bild dargestellt wird und in vielen östlichen Lehren enthalten ist, heißt: »Fließe mit dem Leben. Was auch immer das Leben mit dir vorhat, akzeptiere es. Schwimm nicht gegen den Strom, sondern vertraue darauf, dass alles, was du brauchst, einfach so, zum rechten Zeitpunkt, dich findet. Kämpfe nicht gegen das Leben, sondern lass dich von ihm auf die
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