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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Autoren: Claus Riemann
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zu gehen.
    Im Bereich der Sexualität kann er ein Chamäleon sein: der Mann mit tausend Gesichtern, der erspürt, welches männliche Wunschbild eine Frau in sich trägt; ein wunderbarer Liebhaber, der jeder Frau ein anderes Gesicht zeigt; ein Frauenversteher. Er ist auch der Held, der die Waffen des Gegners einsetzt, der seine Kriege nicht durch Aggression im klassischen Sinne gewinnt, sondern durch Einfühlung in den Gegner, der genau spürt und ahnt, welchen Schritt der Gegner als Nächstes tun wird, nicht aus Berechnung, sondern aus einer intuitiven Gewissheit heraus. Nach diesem Prinzip funktionieren auch Kampfsportarten, die die Kraft des Gegners nutzen. Ideal sind Disziplinen, die ein meditatives Element haben wie Zen-Bogenschießen; sie entsprechen dem höchsten Bild von Fische-Mars, dem spirituellen Krieger.
    In der Märchenwelt wird dieser Krieger oft als Seefahrer dargestellt. Die Abenteuer auf dem Meer können wörtlich verstanden werden oder im übertragenen Sinne; dann wäre dieser Seefahrer einer, der die Herausforderung des spirituellen Weges annimmt, der den Mut zur Stille hat, der weiß, dass Meditation auch Kampf sein kann – es erfordert enorme Anstrengung und Willenskraft, mehrere Stunden reglos auf einem Kissen zu sitzen. Die Schattenseite ist der schwache Held, der unfähig ist, eine Position zu vertreten, dessen Waffen Tränen und Schuldgefühlpolitik sind. Sein Kampfschrei ist: »Sieh, wie weh du mir tust« anstelle des ehrlichen »Ich bin wütend auf dich«.
    Ein Mann mit dieser Konstellation erlebte in einer Traumreise zum inneren Krieger Folgendes. Als er in der Arena auf seinen Gegner traf, stellte er sich anstatt zu kämpfen vor ihn, warf die Waffen weg und rief: »Schlag mich doch!« Die Macht der Opfer, der »unschuldigen guten Menschen«, kann oft sehr problematisch sein. Sich der eigenen Wut, der eigenen marsischen Motive bewusst zu werden, zu sehen, dass auch Opfer manipulative Macht haben, ist sicherlich nicht einfach. Es kann sein, dass man lieber auf dem Opferstatus beharrt und sich mit dem moralischen Trostpreis des besseren Menschen zufriedengibt, auch wenn man sich damit selbst kastriert.
    Frauen mit Fische-Mars zieht es zu geheimnisvollen Männern hin, Männern, in die sie Wunschbilder projizieren können, die auch undurchsichtig, oft unerreichbar sind. Im positiven Sinne sind das vielleicht Männer, die etwas von Tantra, von Hingabe und Verschmelzung verstehen und nicht nur auf körperlich-sinnlichen Genuss aus sind. Allerdings zieht es diese Frauen auch zu den Verlorenen hin, sie können zu hilflosen Helferinnen werden, die ständig retten wollen, was nicht zu retten ist, und ihre ganze Energie in die berühmten »Schwarzen Löcher« investieren.

Der Pfad des Wissens
    Ein Mann, der in seinem Leben schon einiges erreicht hatte – er meditierte schon sehr lange, hatte bei bedeutenden Meistern gelernt und hielt ziemlich viel auf sich -, ging an einem Fluss entlang und dachte über sein Leben nach. Unter anderem kam ihm der Gedanke: Wenn ich so weitermache, wenn ich mich auf dem Pfad des Wissens weiter so bewege wie jetzt, dann werde ich vielleicht eines Tages auf dem Wasser wandeln können. Da hörte er auf einmal eine Stimme von einer Insel im Fluss, wo jemand ein bestimmtes Mantra immer wieder vor sich hin sprach, und zwar völlig falsch. Der Mann am Flussufer dachte: Ich habe heute meine gute Tat noch nicht vollbracht, ich will diesem Menschen helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Er nahm sich ein Ruderboot und ruderte zur Insel. Dort sah er einen jungen Mann in Meditation versunken, der sein Mantra vor sich hin sprach. Der Möchtegern-Weise trat vor den jungen Mann und sagte: »Du bist nicht auf dem richtigen Weg. Ich werde dir zeigen, wie man das Mantra richtig ausspricht.« Er zeigte es ihm, und der junge Mann fiel ihm zu Füßen und dankte ihm überschwänglich. Unser Mann setzte sich wieder in sein Boot, seine Brust war jetzt noch etwas stolzgeschwellter als vorhin, und ruderte zurück ans Ufer des Flusses. Wie er seinen Weg fortsetzen wollte, hörte er, dass der junge Mann wieder anfing, dieses Mantra zu rezitieren, und es wieder falsch sagte. Da dachte er so bei sich: Nun, ich hab das Meinige getan, dem Mann ist einfach nicht zu helfen. Er warf einen letzten Blick zur Insel hinüber, und da sah er etwas Unglaubliches: Der junge Mann wandelte über das Wasser direkt auf ihn zu, warf sich wieder vor ihm auf die Knie und sagte: »Großer Meister,
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