Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
König der liebevolle Weise, der sein Reich durch Mitgefühl und Verständnis regiert und nicht durch Autorität im klassischen Sinne. Der König, der seine Untergebenen akzeptiert, wie sie sind, der Vater, der seine Kinder akzeptiert, wie sie sind, bedingungslos; ein König, der sich eher als Kanal für göttlichen Willen begreift und nicht für einen Willen oder eine Macht, die aus dem Ego kommen. Einer, der seinen Weg auf den Thron findet wie Mojud, ein zielloser Wanderer, immer bereit, auf die innere Stimme zu hören, sich vom Fluss des Lebens tragen zu lassen, wohin er auch fließen mag. Der Wegweiser zum Königsthron, der Selbstfindungswegweiser, könnte hier mit dem Schild illustriert werden, das man im französischen Kreisverkehr findet; darauf steht: »Toutes directions« – alle Richtungen. Alles ist möglich. Diese Bereitschaft, alles für möglich zu halten und auf den Impuls des Augenblicks zu reagieren, mit dem Leben zu fließen, ist die wahre Macht und die wahre Weisheit dieses Königs. Seine Schattenseite ist der schwache Vater, der schwache, konturlose, verschwommene Held, der am Leben leidet, sich als Opfer sieht, kein Gegenüber ist; vielleicht auch jemand, der sich dem irdischen Leben nicht stellen möchte, sich zu schade ist für die Welt und vor dem Diesseitigen flüchtet.
Frauen mit Fische-Sonne fühlen sich, was Lebenspartner und geistige Beziehungen betrifft, von Männern angezogen, die etwas vom Archetyp des Weisen haben. Sie können an Männer geraten, die sie zum Beispiel zur Meditation bringen, die Kontakt zu inneren Welten haben und sehr liebevoll und verständnisvoll sind. Hier können Begegnungen wirkliche Tiefe haben, hier spielt Einfühlung eine große Rolle. Diese Männer können Frauen zum Schmelzen bringen. Der Schattenaspekt dieses Männerbildes führt Frauen in Beziehungen mit schwachen Männern, Chaoten, Süchtigen, Männern, die vorgeben, gerettet werden zu wollen; schlimmstenfalls können diese Frauen dann zu Spezialistinnen für aussichtslose Fälle werden.
Für jeden Menschen, der mit Fische-Sonne geboren wird, lautet eine entscheidende Frage, wie er seinen Vater gefühlsmäßig erreichen konnte; ob der Vater ihm vorleben konnte, was es bedeutet, sich dem Fluss zu überlassen, zum Beispiel zu weinen, wenn man traurig ist. Das Schlimmste für ein Kind mit Sonne in einem Wasser-Zeichen, das heißt Krebs, Skorpion oder Fische, ist ein Blaubart-Vater, ein Vater oder König, der in seiner geheimen Kammer, der Herzenskammer, die getöteten Frauen verbirgt. Das ist ein Mann, der seine Gefühle getötet hat, der gefühlsmäßig gestorben, nicht mehr erreichbar ist. Leider entspricht dieser Typus dem klassischen Männerbild: Männer, die ihre Gefühle nicht zeigen dürfen, weil das unmännlich ist – angeblich. Gerade für ein Kind mit Fische-Sonne können Tränen des Vaters äußerst wichtig sein. Es wird ihn lieben, wenn er ihm vorlebt, wie man verletzbar sein kann, auf der Gefühlsebene erreichbar bleibt und trotzdem überlebt.
Das klassische Bild von Stärke muss beim Fische-Prinzip ganz neu definiert werden. Die Stärke und Macht dieses Königs ist vielleicht gerade das, was wir normalerweise als Schwäche bezeichnen. Es ist das Wasser, das durch Nachgiebigkeit überwindet, die Stärke eines Menschen, der fähig ist, geschehen zu lassen und Hingabe zu leben, die Stärke eines Menschen, der so mutig ist, sich dem Fluss des Lebens anzuvertrauen und zum Beispiel auch Tränen fließen zu lassen.
Hier ist eine Anmerkung fällig. Gerade weil Fische-betonte Menschen mit einer extremen Empfindsamkeit und Verletzlichkeit ausgestattet sind, führt das – vor allem bei Männern – oft dazu, sich schon früh zu verpanzern, zu schützen. Wie soll man auch mit so einer zarten Seele in dieser harten Welt überleben? Dann entstehen »Trockenfische« mit der klassischen rigiden Körperstruktur, die nichts mehr vom Fluss des Lebens verrät, oder Raubfische, die sich als soziales Chamäleon dem Haifischbecken verschreiben und somit die vorherrschenden gesellschaftlichen Werte widerspiegeln. Wer so verletzlich ist, braucht mehr Abwehr und Schutz als der gebürtige Dickhäuter. Fische-betonte Menschen haben mir oft erzählt: »Ich habe seit Jahrzehnten keine Träne mehr vergossen, und ich habe Angst davor. Wenn ich einmal zu weinen anfinge, könnte ich vielleicht nie wieder aufhören.«
Venus in Fische
Das innere Bild der Geliebten ist hier die klassische Nixe und Seejungfrau, die
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