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Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)

Titel: Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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unsicheren, verletzlichen Pflänzchen Wurzeln bilden (dieses Bild stammt von Goswami Kriyananda, einem indischen Astrologen). Das Bedürfnis nach Sicherheit, das man dem Stier-Prinzip grundsätzlich zuschreibt, lässt sich aus der Bedrohtheit und Unsicherheit der noch ganz jungen Frühlingspflänzchen verstehen, ebenso wie das Bedürfnis, sich tief in der Mutter Erde zu verwurzeln.
    Im Stier-Monat zeigt Mutter Erde am deutlichsten ihren Schlaraffenland-Aspekt, präsentiert sich üppig, nährend, sinnlich, großzügig. Wir bezeichnen diese Zeit ja auch als den Wonnemonat Mai, eine Zeit, in der die Natur alles andere als geizig ist im Vergleich etwa zur Winterzeit des Steinbocks. In diesem Zusammenhang ist auch das Motiv des Reichtums, das dem Stier oft zugeordnet wird, zu verstehen. Astrologische Bücher betonen gern, dass hier Geld und Besitz eine große Rolle spielen. Das entspräche allerdings eher den ersten beiden Königssöhnen in unserem Märchen. Dass Reichtum auch anders definiert werden kann, zeigt Königssohn Nummer drei. Königssohn Nummer eins versteht etwas vom Haben, nichts vom Sein – wie der arme Dagobert Duck, der reichste Mann der Welt, der sich selbst nichts gönnen kann und immer auf der Hut sein muss vor den Panzerknackern. Auch Karl Marx war Stier, sein Hauptwerk heißt stimmigerweise Das Kapital . Seine Feststellung »Das Sein bestimmt das Bewusstsein« entspricht der Weltsicht des Erdmenschen: Die materiellen Bedingungen, unter denen du lebst, bestimmen dein Denken und Fühlen.
    »Hast du was, bist du was« ist auch die Devise von Königssohn Nummer zwei, und dafür gibt es ausgezeichnete Argumente. Aber – auch er ist nicht König geworden! Königssohn Nummer drei ist der reife Stier, er versteht als Einziger etwas von Lebendigkeit. Und er kann loslassen, die Samen in die Erde geben. Er weiß, dass Blumen eine Zeit zum Blühen, eine Zeit zum Welken haben, insofern versteht er auch den Gegenpol von Stier, Skorpion.
    Spätestens ab der Lebensmitte ist es die große geistig-seelische Herausforderung für Stier, sich mit dem Thema Vergänglichkeit auseinanderzusetzen. In dieser Zeit wird der Tod geboren, sagt C. G. Jung, und insofern ist der Sicherheitsgedanke einem Wandlungsprozess unterworfen. Spätestens jetzt – ob wir es verdrängen oder nicht – müssen wir lernen, dass das Leben »todsicher« ist. Wenn man dieses Wort, das aus »tod« und »sicher« besteht, genauer betrachtet, dann bildet es unter dem astrologischen Aspekt die Achse Stier/Skorpion nach.

Minos
    Minos, der Sohn von Zeus und Europa, hatte von Poseidon zum Zeichen seines Machtanspruches einen wunderschönen weißen Stier geschickt bekommen, der nach der Krönung dem Meeresgott geopfert werden sollte. Minos wollte sich jedoch von dem schönen Tier nicht trennen und opferte heimlich einen anderen Stier. Als Poseidon das merkte, bestrafte er Minos dadurch, dass er in dessen Frau Pasiphae hemmungslose Liebe und Begierde für den Stier erweckte. Sie bat den Erfinder Dädalos, ein Gerüst in Gestalt einer Kuh zu bauen, und darin verborgen ließ sie sich von dem Stier besteigen. Aus dieser Verbindung entstand das Ungeheuer Minotauros mit Menschenkörper und Stierkopf, das im Labyrinth des Palasts von Knossos lebte und dem jedes Jahr Jünglinge und Mädchen aus Athen geopfert werden mussten. Erst Theseus besiegte und tötete den Minotauros und gelangte dank des Ariadne-Fadens wieder aus dem Labyrinth heraus.
    Der Minotauros kann auch als Schattenaspekt des Minos selbst gesehen werden, als die Seite in ihm, die nur haben und festhalten, aber nicht geben, opfern und loslassen will. Stier-betonte Menschen haben oft ein solches Gierungeheuer im Labyrinth ihres Unbewussten.

Venus
    Jedes Tierkreiszeichen hat einen so genannten Herrscherplaneten, das heißt, einen Planeten, der sich in dem jeweiligen Tierkreiszeichen in seiner reinsten Form ausdrückt. Bei Widder war es Mars. Bei Stier ist es Venus, aber sie ist nicht nur in diesem Zeichen Herrscherin, sondern auch im Zeichen Waage. In der Astrologie gibt es nämlich zehn Planeten-Prinzipien, Sonne und Mond eingerechnet, aber zwölf Tierkreiszeichen, was zur Folge hat, dass Venus und Merkur jeweils Herrscher zweier Zeichen sind. Venus, sagt man, beherrscht Waage und Stier, Merkur beherrscht Jungfrau und Zwillinge.
    Aphrodite, die Göttin der Liebe und der Schönheit, weckte in den Menschen leidenschaftliches Verlangen und erfüllte ihre Herzen mit Liebe. Sie selbst war in unzählige

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