Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
darum, die Einseitigkeit des Frauenbilds in unserer Kultur aufzuzeigen.
Sonne in Zwillinge
Die Sonne steht für den inneren König, und ihre Stellung im Horoskop bestimmt auch, was man von Vätern und Autoritäten erwartet und welche Art von Autorität und Väterlichkeit in einem selbst steckt. Die Autorität und Macht eines Zwillinge-Königs ist seine Klugheit, sein Verstand, im besten Fall seine Weisheit. Er ist ein Mittler in seinem Königreich, er kann seinen Kindern und Schutzbefohlenen gegenüber ein väterlicher Freund und Ratgeber sein, ein Lehrer, ein Geschichtenerzähler. Seine Grundstimmung ist heitere Gelassenheit. Das sind auch die Energien, die ein Mensch mit Zwillinge-Sonne – ein kleines Zwillinge-Sonnen-Mädchen oder ein Zwillinge-Sonnen-Sohn – in einem Vater, zunächst dem leiblichen Vater, suchen wird. Für diese Menschen ist es wichtig, dass der Vater ein kluger, freundlicher Geschichtenerzähler und Ratgeber ist, den man alles fragen kann und der immer bereit ist für ein Gespräch, einen Dialog, der sich nicht als Guru über einen stellt und sagt: »Wahrlich, ich sage dir«, sondern den man auch in Frage stellen kann, mit dem man diskutieren kann. Wo man auch mal »ja, aber« sagen darf, ohne dafür bestraft zu werden. Für Zwillinge-Sonnen-Kinder müssen Autoritäten vor allem klug und intelligent und dialogfähig sein; wenn sie rigide, autoritär, unfreundlich oder humorlos sind, wird es schwierig. Wenn der Vater dumm oder stumm ist, wird man es ihm übel nehmen. Wenn er keine Geschichten weiß, wenn er nicht fähig ist zum Dialog, wenn er engstirnig ist, dann wird das Kind ihn vielleicht verachten, sich seiner schämen.
Die Selbstfindungsreise auf den Königsthron gleicht hier oft einer Odyssee, einer Suchwanderung, bei der es wichtiger ist, in Bewegung zu bleiben als anzukommen. Oft ist die Vielfalt der Interessen und Begabungen ein Problem bei der Zielsetzung, oft werden Entscheidungen schwerfallen. Hier hilft es, den Schmetterling als sein hilfreiches Tier zu betrachten und sich selbst nicht immer allzu ernst zu nehmen.
Puer aeternus
In der Psychologie von C. G. Jung und seinen Nachfolgern gibt es vier verschiedene Gesichter des Männlichen, und eines davon trägt die Bezeichnung ewiger Jüngling oder Puer aeternus. Diese Gestalt entspricht dem Zwillinge-König, dem Zwillinge-Männerbild. Der ewige Jüngling hat inspirierende geistige Qualitäten, er ist ein Denker, im Salon zu Hause, auf dem Marktplatz, überall da, wo Austausch, Kommunikation und Lebendigkeit gefragt sind. Er ist aber auch derjenige, der liebt und verlässt, ein Zigeuner, ein Luftikus, seine Schattenseite ist ein Mangel an Verantwortungsgefühl. Die Verantwortlichkeit ist im Gegenpol des ewigen Jünglings zu Hause, beim sorgenden Vatertypus. Das heißt nicht, dass der Puer nicht auch ein wunderbarer Vater sein kann, er kann zum Beispiel seine Kinder auf dem Weg zu einer erwachsenen Persönlichkeit begleiten, ihnen Wind unter die Flügel blasen, sie auf den Marktplatz schicken, ihre Neugier wecken. Der Vater als verlässlicher Fels in der Brandung, das ist allerdings nicht seine Rolle.
Die Schattenseite dieses Mannes, dieses Königs, ist eine Art freundliche Unzuverlässigkeit. Er vermittelt das Gefühl, nicht da zu sein, wenn man ihn braucht, weggeflogen. Frauen mit Zwillinge-Sonne haben eine Affinität zu Männern mit positiven Puer-Qualitäten wie Klugheit, geistige Beweglichkeit, Lebendigkeit, Humor. Wahrscheinlich werden sie jedoch auch die Schattenseite dieses Typus kennen lernen: Männer, die verschwinden, wenn man sie braucht, auf die man sich nicht verlassen kann.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an das Motiv des Schmetterlings erinnern. Zwillinge hat mit seiner Schmetterlingsenergie einfach nicht die Aufgabe, verlässlich zu sein, sondern soll wie der Schmetterling die Welt bunter und lebendiger machen. Dazu kann er sich ruhig bekennen, anstatt zu versuchen, sich selbst oder anderen eine Verantwortlichkeit, Ernsthaftigkeit und Geradlinigkeit vorzuspielen, die nicht zu ihm passt und die er auf Dauer nicht durchhalten kann. In meiner Praxis habe ich oft Zwillinge-betonte Menschen als wandelndes schlechtes Gewissen erlebt: »Ich sollte mich endlich entscheiden, ich sollte mich endlich bekennen, ich sollte endlich eindeutiger werden«; dabei wäre genau das der Tod der Zwillinge-Energie. Das heißt nicht, dass man nicht auch Entscheidungen treffen könnte; man muss sich nur ehrlicherweise
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