Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
kommt wieder her.
Das große Mütterliche
Die Sommersonnenwende markiert den Beginn des Krebsmonats. Die Sonne legt hier den »Rückwärtsgang« ein, daher der rückwärtsgehende Krebs als Symboltier. Die Widder-Thematik war vom Motiv des rücksichtslosen Helden (Beispiel Parzival) geprägt; das hängt damit zusammen, dass man bei Frühlingsanfang nicht auf den Winter zurückblickt, sondern sich am aufsteigenden neuen Leben orientiert. Bei Krebs hingegen geht es um die RückSicht, im tieferen Sinn hat das zu tun mit Religio, mit der Rückbindung an das große Mütterliche mit seinen verschiedenen Erscheinungsformen: die leibliche Mutter, aber auch Mutter Erde, Mutter Natur, die persönliche Geschichte mit allen Erinnerungen an vertraute Menschen und Plätze sowie Geschichte überhaupt. »Woher komme ich? Wie fing alles an?« Auch die Welt des Unbewussten, aus dessen Mutterschoß das Licht des Bewusstseins geboren wird. Aus dieser schöpferischen Quelle kommt der Reichtum dieses Prinzips, eben aus dem »Reich der Mütter«.
Hautlos
Krebs ist wie Skorpion und Fische eines der drei Wasserzeichen, und in diesem Element geht es immer um die unsichtbare Welt, um innere Realität: Das ist es, was ich am Anfang mit der Geschichte von Rabia andeuten wollte. In meiner Gruppenarbeit tauchen bei Krebs-, Skorpion-und Fische-betonten Menschen immer wieder bestimmte Bilder auf, wenn es um Imaginationen zum Element Wasser geht: bei Fische das Meer, bei Skorpion das tiefe, abgründige Gewässer und bei Krebs der Fluss, die Quelle, aber auch der bergende, nährende, schützende Aspekt des Wassers wie zum Beispiel die Badewanne oder das Fruchtwasser im Mutterleib. Wichtig ist auch der Fruchtbarkeitsaspekt des Wassers. Im Krebsmonat, dem ersten Sommermonat, erfolgt im Kreislauf der Natur die Fruchtbildung, und dabei spielt Leben spendendes Wasser wie etwa der Regen eine große Rolle. Aber auch Tränen gehören hierher. Menschen, die keine Tränen mehr haben, sind meist seelisch tot. Schwer depressive Menschen haben keine Tränen mehr, ihre Augen sind glanzlos. Wenn man sich erlaubt zu weinen, mag das im Moment schmerzhaft oder unangenehm sein, aber die Augen werden dadurch wieder glänzend, und der Fluss des Lebens wird wieder spürbar, insofern sind auch Tränen Leben spendend.
Diese Rückbindung hat natürlich auch eine Schattenseite, die Regression. Regressive Energie bewirkt, dass man sich aus dem Mutterleib nicht hinausentwickeln will, sei es schon bei der Geburt, sei es später, wenn es Zeit ist, den Mutterleib der vertrauten Familie, des behüteten Nestes zu verlassen. Dazu gehört auch ein Leben in Erinnerungen: Weißt du noch, damals, und: Früher war alles viel schöner als heute. Die hohe Schule der Entwicklung besteht für einen Krebs-betonten Menschen darin, erwachsen zu werden, sich aus dem Reich des Mütterlichen, der Herkunftsfamilie zu befreien, nicht ewig in einer Sohn-oder Tochterhaltung zu verweilen und dennoch die Anbindung an das innere Kind, die Verbundenheit mit dem Woher nicht zu verlieren.
Wohl dem, der seiner Ahnen gern gedenkt! Im Laufe der Jahre kristallisiert sich als zentrales Lebensthema die Frage heraus: Wie finde ich meine Heimat, wie finde ich zum Ursprung zurück? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: zum Beispiel durch die Gründung einer Familie. Hier ist Blut dicker als Wasser, es geht weniger um Wahlverwandtschaften, Geistesverwandtschaften oder die Menschheitsfamilie wie bei den Luftzeichen, sondern um Blutsverwandtschaft. Heimkehren kann auch bedeuten, einen Platz zu finden, wo man das Gefühl hat: Da gehöre ich hin, da fühle ich mich vertraut. Das Motiv der Vertrautheit hat für das Krebs-Prinzip eine zentrale Bedeutung. Krebs-betonte Menschen werden sozusagen ohne Haut geboren, und diese Verletzlichkeit und Empfindsamkeit schafft zugleich ein großes Schutzbedürfnis, den Wunsch, sich geborgen und gewärmt zu fühlen. Das kann in Form eines »Nests« gefunden werden und natürlich durch die Seelennahrung geliebter Menschen. Heimkommen hat auch noch einen tieferen Aspekt, der auf den inneren Weg, in die Meditation führen kann.
Ich möchte noch ein paar Bilder zur Wasserwelt ansprechen. Ich deutete bereits an, dass Krebs-Menschen sich hautlos fühlen, sodass ein Windhauch Höllenqualen verursachen kann; ein schiefer Blick, ein kritisches Wort tun hier viel mehr weh als bei den Menschen, die von vornherein besser geschützt, dickfelliger sind. Von Oskar Adler stammt das Bild, dass
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