Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
erklärt sich das ganze Lebensdrama von Saint-Exupéry aus jener Anfangszeichnung. Der Elefant steht für den alten Weisen. Dieser alte Weise ist von der Boa, von dem Tier, das den dunklen mütterlichen Bereich repräsentiert, verschlungen worden. Auf Saint-Exupéry übertragen hieße das, dass sein innerer alter Weiser und die Anbindung an diese Kraft von der dunklen Mütterlichkeit verschluckt wurden. Am Ende hat Mutter Erde ihn wieder zurückbekommen: als er abgestürzt ist. Marie-Louise von Franz war sehr Steinbockbetont, und wenn man das Krebs-Märchen vom kleinen Prinzen aus der Steinbock-Sicht untersucht, bleibt nicht viel übrig davon.
Venus in Krebs
Das Frauenbild ist hier die mediale, geheimnisvolle Frau, die in den inneren Welten zu Hause ist, die Nixe im Teich, die einen unter Wasser ziehen kann, von der irdischen Realität weg in die Welt der Träume, der Leidenschaften, der Fantasie. Männer mit Venus in Krebs werden eine Affinität zu Frauen haben, die sie in ihre innere Welt mitnehmen, die die Fantasie-und Sehnsuchtsseite ihres Wesens anregen.
Eine andere Variante ist der Lolita-Typus, die kindliche Seite des Weiblichen. Männer mit Krebs-Venus zieht es oft zu solchen Frauen hin oder auch zum Gegenpol: Da Krebs immer Mutter-und-Kind-Thema zugleich verkörpert, können das betont mütterliche Frauen sein, auch auf sexueller Ebene. Für Krebs-Venus hat Sexualität mehr mit Zärtlichkeit zu tun als mit Sinnlichkeit, sie ist nicht zu trennen von der Begegnung auf seelischer Ebene.
Wer eine Krebs-Venus hat und keinen Panzer darum gebaut hat, kann sehr tiefe Begegnungen erleben, bei denen weniger die körperliche Lust im Vordergrund steht als vielmehr das Gefühl von Verschmelzung, eine Erfahrung von Tiefe, bei der die Sehnsucht, dem anderen ganz nah und vertraut zu sein, im Mittelpunkt steht. Dieses »gemeinsame« Eintauchen kann auch in Musik, Tanz, Naturerleben, Meditation geschehen.
Positiv gesehen kann man in einer solchen Beziehung heimkommen, eine tiefe Verbundenheit erleben, auch das Gefühl, einen Seelenpartner gefunden zu haben. Die Einbindung von Beziehung in einen familiären Rahmen spielt hier oft eine große Rolle. Die zentrale Fragestellung heißt dann: Könnte ich mit diesem Menschen eine Familie gründen, gemeinsam einen Platz bewohnen?
In einer Krebs-Venus-Beziehung ist Gefühl die Hauptnahrung, auch das Bedürfnis, Verständnis, Wärme und Trost zu spenden und zu empfangen – Seelennahrung eben. In dieser Beziehung gibt es eine gute Mütterlichkeit, hier darf auch das innere Kind der beiden Partner mitleben, das heißt, dass der Partner nicht nur dann geachtet und geliebt wird, wenn er erfolgreich oder klug oder selbstständig ist, sondern auch dann, wenn er Hilfe braucht oder krank ist, wenn er manchmal ganz einfach bedürftig ist.
Die Schattenseite einer Krebs-betonten Beziehung ist eine Art Nest-Beziehung, bei der man nur zusammengluckt und sich gegen die vermeintlich feindliche Außenwelt abschottet. Solche Beziehungen – »Wir beide und sonst keiner« – können erstickend sein. Man klammert sich ängstlich aneinander mit der Botschaft »Ich brauche dich« und »Verlass mich nicht«, die keine Eigenentwicklung, keine Autonomie innerhalb der Partnerschaft zulässt. Es gibt auch Fälle, bei denen das Mutter-Kind-Modell tragische Formen annehmen kann. Mir fällt dazu ein alter Film mit Gerd Fröbe ein, in dem er einen einsamen alten Rentner spielt. Auf einem Spaziergang findet er ein Mädchen, das zusammengeschlagen worden ist; er nimmt dieses Mädchen mit nach Hause in seine kleine Wohnung und pflegt es liebevoll gesund. »Ich tu alles«, sagt er immer. Das Drama entsteht, als das Mädchen eines Tages gesund wird und sagt: »Alter Mann, ich danke dir für alles, was du für mich getan hast, aber jetzt will ich wieder in meine eigene Welt zurück.« Da wird er so wütend und verzweifelt, dass er das Mädchen zusammenschlägt, es schwer verletzt, und der Film hört damit auf, dass er wieder vor dem Bett des Mädchens steht und sagt: »Ich tu alles, du wirst sehen, ich bin immer für dich da.«
Wenn das Mutter-Kind-Motiv in Beziehungen diese Ausprägung annimmt, kann es sein, dass man den andern klein, abhängig und krank haben will – denn eine Mutter ohne Kind ist nichts. Wenn ich dich nicht mehr versorgen kann, wenn ich dir als Mutter nichts mehr zu geben habe, dann fühle ich mich überflüssig – das ist die unreife Form von Krebs-Beziehungen.
Diese Struktur findet sich
Weitere Kostenlose Bücher