Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Schlaf von der Mondgöttin Selene geküsst wurde. Sie hatte ihn irgendwo auf einer Wiese liegen sehen und fand ihn so schön, dass sie ihn einfach küssen musste. Endymion nun war von dem Kuss der Selene so verzaubert und angerührt, dass er die Götter bat, von da an nur noch schlafen und träumen zu dürfen und nie wieder aufwachen zu müssen. Das ist ein wunderbares Bild für die Sehnsucht von Krebs-Mond, nur in der Innenwelt zu Hause zu sein, nicht in die harte Realität hinauszumüssen; mit Krebs-Mond wird man, egal ob Junge oder Mädchen, mit einer äußerst zarten, empfindsamen, verletzlichen Seelennatur geboren. Die Sehnsucht in Bezug auf das Mütterliche ist, einen wärmenden, bergenden, schützenden »Mutterleib« vorzufinden. Diese Sehnsucht kann schon im realen Mutterleib beginnen; heute weiß man, dass die frühen Erfahrungen, die wir dort gemacht haben, bedeutsam sind für unsere spätere Beziehungs-und Vertrauensfähigkeit. Ob die Zeit im Mutterleib eine Zeit war, in der ein Gefühl der Wärme vorherrschte, ob wir ein Schlaraffenland vorgefunden haben oder eher einen Kühlschrank, hängt mit der psychischen Situation der Mutter während der Schwangerschaft zusammen. Die Mutter ist unsere erste Umwelt, unser erster Guru, von ihr lernen wir zunächst, wie Beziehung gelingt oder misslingt, ob Vertrauen möglich ist oder nicht. Wenn ich mich fallen lasse, kann sie mir entweder das Gefühl vermitteln, ich werde aufgefangen, oder mich ins Bodenlose stürzen lassen, sodass ich es nie mehr tun will.
Für Krebs-Mond-Kinder ist es besonders wichtig, eine wärmende, beschützende Urmütterlichkeit vorzufinden, nicht nur in der Mutter selbst, sondern auch in der Atmosphäre der frühen Kindheit, der ganzen Familie. Ein solches Krebs-Mond-Kind ist empfänglich für die feinsten seelischen Schwingungen, es spürt die Stimmungen in der Familie, das Unausgesprochene überdeutlich; es hört sozusagen die Flöhe husten. Diese hochgradige Empfindsamkeit für Seelenströmungen, für die innere Realität der Familie, für das, was hinter der Fassade vorgeht, ist ein Segen und ein Fluch. Die Empfänglichkeit für liebevolle, wärmende Energie ist genauso groß wie für feindselige, giftige Seelenschwingungen.
Ein Problem kann sein, dass so ein zartes, liebes, sanftes Kind einlädt zu Verzärtelung und übermäßiger Verwöhnung, weil es den Mutterinstinkt seiner Umgebung anspricht. Die Gratwanderung, diese Hautlosigkeit, Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit einerseits ernst zu nehmen und zu akzeptieren, andererseits aber auch den Gegenpol Steinbock mit einzubeziehen und die Kinder mit der harten, winterlichen Realität der irdischen Welt zu konfrontieren, um sie lebenstüchtig zu machen, ist eine schwierige Aufgabe für Eltern. Ich glaube, dass ein gewisses Maß an sanfter Abhärtung diesen Kindern guttut. Es ist sicherlich wichtig, die Empfindsamkeit des Kindes zu respektieren und seinen inneren Reichtum – zum Beispiel eventuelle musikalische oder künstlerische Begabungen – zu fördern, aber ebenso wichtig ist es, dem Kind zu vermitteln, dass zum Leben auch der Winter gehört. Die Sommerwelt des Krebses und die Winterwelt des Steinbocks gehören beide zum Jahresablauf. So wichtig und stimmig die Sehnsucht nach einem Nest ist, nach einer Höhle, in der man sich geborgen und geschützt fühlt, einer Badewanne oder einem vertrauten Platz in der Natur, so wichtig ist es auch, die Badewanne wieder zu verlassen, wieder ins Leben zurückzukehren und sich den Herausforderungen der äußeren Welt zu stellen.
Wenn Krebs-Kinder sehr früh verletzt werden oder seelisch unterernährt sind (oder auch überversorgt oder überbehütet), kann die innere Haltung entstehen: Ich will mich der äußeren Welt nicht mehr stellen. Ich wandere aus in eine innere Welt der Fantasien, der Tagträume. Und so wichtig diese Welt als schöpferische Quelle ist, so gefährlich ist es, wenn der Gegenpol der Erdwelt, in diesem Fall die Steinbock-Realität, ganz und gar ignoriert wird. Dann können alle erdenklichen Flucht-und Suchtthemen ins Spiel kommen; später im Leben kann auch eine gewisse spirituell-esoterisch gefärbte Arroganz entstehen, mit der die tumben Durchschnittsmenschen belächelt werden, die brav zur Arbeit gehen und ihren Job machen, wo doch die wahren Werte nur in der inneren Welt zu finden sind.
Eine Begabung, die gleichzeitig ein Fluch ist, ist überhaupt die Sensitivität für die seelischen Schwingungen anderer Menschen,
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