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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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sein.«
    Es klingelte an der Tür. Ich stürzte die Treppe hinunter, und als ich um die Ecke des Flures bog, sah ich Mrs. Heslington, die Pfarrfrau, hinter der Glasscheibe. Ich riß die Tür auf. Sie hielt Oscar im Arm.
    »Ich glaube, das ist Ihre Katze, Mr. Herriot«, sagte sie.
    »Tatsächlich, Mrs. Heslington. Wo haben Sie ihn gefunden?«
    Sie lächelte. »Es war recht seltsam. Wir hatten eine Versammlung des Frauenausschusses im Gemeindesaal, und da sahen wir die Katze im Raum sitzen.«
    »Einfach sitzen...?«
    »Ja. Sie schien uns richtig zuzuhören, und es gefiel ihr. Höchst merkwürdig. Als die Versammlung zu Ende war, dachte ich mir, ich bringe sie zu Ihnen zurück.«
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mrs. Heslington.« Ich nahm Oscar und klemmte ihn unter den Arm. »Meine Frau ist außer sich – sie dachte schon, er sei weg.«
    Es war rätselhaft. Warum war er plötzlich davongelaufen? Aber da sich in den folgenden Wochen nichts an seinem Betragen änderte, dachten wir nicht mehr daran.
    Dann brachte eines Abends ein Mann seinen Hund zur Staupeimpfung und ließ die Tür offen. Als ich in unsere Wohnung zurückkam, sah ich, daß Oscar wieder verschwunden war. Dieses Mal durchsuchten Helen und ich vergeblich den Marktplatz und alle Seitengäßchen, und als wir um halb zehn zurückkehrten, waren wir beide verzagt. Es war fast elf Uhr, als wir uns schließlich entschlossen, zu Bett zu gehen, und da klingelte es an der Tür.
    Wieder war es Oscar, und dieses Mal ruhte er auf dem dicken Bauch Jack Newboulds. Jack lehnte sich an den Türpfosten, und die frische Landluft der dunklen Straße vermischte sich mit einem starken Geruch nach Bier.
    Jack war Gärtner in einem der großen Häuser. Er lächelte mir zu und rülpste leise. »Hier ist Ihr Kater, Mr. Herriot.«
    »Ach, vielen Dank, Jack«, sagte ich und nahm Oscar dankbar in Empfang. »Wo haben Sie ihn denn gefunden?«
    »Eigentlich hat er eher mich gefunden.«
    »Wie bitte?«
    Jack schloß die Augen, und dann brachte er hervor: »Es war ein großer Abend, Mr. Herriot. Dartswettbewerb. ‘ne Menge Leute im Dog and Gun. Große Versammlung.«
    »Und unser Kater war da?«
    »Ja, er war da. Saß bei den Jungs. Hat den ganzen Abend mit uns verbracht.«
    »Saß einfach da, was?«
    »Jawohl.« Jack kicherte vergnügt. »Hat sich toll amüsiert. Hab ihm vom besten Bier aus meinem Glas zu kosten gegeben, und einmal dachte ich fast, er würde mit um die Wette werfen. Ein toller Kater, muß ich sagen.« Er lachte wieder.
    Als ich Oscar nach oben brachte, war ich nachdenklich. Was ging hier vor? Diese plötzlichen Ausflüge regten Helen auf, und auch mir gingen sie auf die Nerven.
    Der nächste kam sehr bald. Drei Abende später war er wieder fort. Dieses Mal suchten wir ihn erst gar nicht – wir warteten.
    Er kehrte früher als gewöhnlich heim. Um neun Uhr klingelte es an der Tür. Es war die ältliche Miss Simpson, die durch die Scheibe guckte. Und sie hielt Oscar nicht – er saß auf der Matte.
    Miss Simpson beobachtete mit Interesse, wie der Kater die Treppen hinaufstieg. »Ach, ich bin ja so froh, daß er sicher zu Hause ist. Ich weiß, daß er Ihnen gehört, und ich habe mich den ganzen Abend über sein Betragen gewundert.«
    »Wo war er denn... wenn ich fragen darf?«
    »Ach, im Frauenverein. Er kam gerade herein, als wir anfingen, und blieb bis zum Ende.«
    »So? Was stand denn auf dem Programm, Miss Simpson?«
    »Nun, zuerst eine Komiteesitzung und dann ein Lichtbildervortrag von Mr. Walters über die Wasserversorgung, und zum Schluß ein Kuchen-Backwettbewerb.«
    »Ja... ja... und was hat Oscar gemacht?«
    Sie lachte. »Er hat an allem teilgenommen, hat sich für die Lichtbilder interessiert und natürlich ganz besonders unsere Kuchenproben genossen.«
    »Und haben Sie ihn nach Haus gebracht?«
    »Nein, er kam von ganz allein mit. Aber da ich ja auf meinem Heimweg sowieso an Ihrem Haus vorbei muß, habe ich geklingelt, damit Sie wissen, daß er da ist.«
    »Das war sehr lieb von Ihnen, Miss Simpson. Wir waren ein wenig besorgt.«
    Ich eilte die Treppe hinauf. Helen hatte die Katze auf dem Schoß und blickte auf, als ich ins Zimmer stürzte.
    »Jetzt weiß ich, was mit Oscar los ist«, sagte ich.
    »Was weißt du?«
    »Warum er abends verschwindet. Er läuft gar nicht weg – er geht nur auf Besuch.«
    »Auf Besuch?«
    »Ja. Er geht gern aus, liebt Gesellschaft, besonders, wenn viele Menschen beisammen sind, und interessiert sich für alles. Er ist einfach

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