Der Tiger im Brunnen
Hause.«
Harriet zog etwas aus der Tüte und kaute darauf herum.
»Getrocknete Feigen«, erklärte das Mädchen. »Die habe ich in einem Sack gefunden. Es gibt noch reichlich davon.«
Jim stand wieder auf. Die beiden Jungen schauten immer noch argwöhnisch, doch die Spannung hatte sich gelegt.
»Was ist denn passiert?«, fragte Jim. »War sie in Clapham?«
»Ja«, sagte der Junge mit dem blauen Auge, Liam. »Mr Goldberg hatte den Überfall vorbereitet. Wir haben sie dann rausgeholt.«
»Wir haben dem Lackaffen ’nen Nachttopf über die Birne gehauen«, verkündete ein Junge an der Tür.
Jim stutzte. Zweimal innerhalb von zwölf Stunden!, dachte er. Da hatte ich mich wohl getäuscht … »Gut gemacht«, sagte er laut. Dann fragte er Bill: »Liest du gern?«
»Ja«, sagte der Junge mit der aufgeplatzten Lippe. »Ich kann alles lesen.«
»Dann schicke ich dir einen Stapel Schauerromane.« Und an alle gewandt: »Ich nehme an, ihr hattet Auslagen wegen der kleinen Lady. Hier sind fünf Pfund für euch. Ihr wart wirklich großartig.«
Das Geld wurde mit spitzbübischem Kopfnicken in Empfang genommen. Sie schätzten Jims Fähigkeit, ihre Bemühungen realistisch einzuschätzen und einen angemessenen Preis zu zahlen.
»Die Schauerromane«, sagte Bill, »schicken Sie aber nicht hierher. Das ist nur ein Unterschlupf. Schicken Sie sie am besten an Mr Goldbergs Adresse in Soho.«
»Bist du mit ihm befreundet?«
Bill nickte.
»Er sitzt im Gefängnis, hat man mir gesagt. In Clerkenwell.«
»Das hat nichts zu sagen«, spottete Bill. »Er ist bald wieder draußen. Den können sie nicht halten. Weder die Russen noch die Österreicher haben das geschafft. Er ist sogar aus dieser Festung mit dem großen runden Turm entkommen – Kufstein heißt der Ort. Er hat sich an der Mauer abgeseilt. Wenn die in Clerkenwell glauben, sie könnten ihn auf Dauer einlochen, haben sie sich geschnitten.«
Jim war selbst schon in Kufstein gewesen und kannte die Festung. »Dieser Mr Goldberg ist schwer in Ordnung, was?«
Allgemeines Kopfnicken, besonders heftig von Con und Tony.
»Er hat seine letzten Zigarren mit uns geteilt. Er ist überhaupt nicht eingebildet, Mister.«
»Gut«, sagte Jim und nahm Harriet auf den Arm. Zu spät merkte er, dass sie sich durch und durch nass gemacht hatte. »Na dann, ab nach Hause, Prinzessin.«
Eine Feige kauend, winkte Harriet huldvoll mit der braunen Papiertüte, als sie auf die belebte, noch feuchte Straße hinausschritten, die nun im Sonnenschein dampfte.
Der höchst ehrwürdige, hochheilige Orden der gesegneten Emanation der Sanctissima Sophia
An alle, die es angeht:
Mit diesem Schreiben möchte ich einen falschen Eintrag in das Heiratsregister der Pfarrei St. Margaret in Portsmouth berichtigen, wo ich von 1870 bis 1880 Pfarrer war. Der Eintrag bezieht sich auf die Eheschließung zwischen Arthur James Parrish und Veronica Beatrice Lockhart am 3. Januar 1879.
Eine solche Eheschließung hat nie stattgefunden. Ich selbst habe den falschen Eintrag ins Register vorgenommen. Zum damaligen Zeitpunkt war ich physisch und psychisch einem unerträglichen Druck ausgesetzt. Heute bedauere ich den damaligen Schritt zutiefst und bitte um Verzeihung für das Leid, das ich damit verursacht habe.
Ich bitte von jeder weiteren Verwicklung in diesen unglückseligen Fall verschont zu bleiben. Ich hoffe hiermit meine Pflicht gegenüber der irdischen Wahrheit erfüllt zu haben und gedenke den Rest meiner Erdentage Dingen von weit größerer Bedeutung zu widmen, nämlich meinem Seelenheil und der Betrachtung der Göttlichen Mysterien.
G. Davidson Beech
Margaret legte den Brief beiseite und schaute über den Schreibtisch zu James Wentworth hinüber.
»Wie haben Sie denn das geschafft?«
»Ich habe ihm klargemacht, dass er ohne eine solche schriftliche Erklärung vor Gericht erscheinen müsse. Um eine Richtigstellung käme er nicht herum. Oh, er drehte und wand sich fürchterlich, aber am Ende tat er es doch, dieser nichtswürdige Mensch.«
»Und was geschah vor Gericht?«
»Wir haben den Prozess natürlich gewonnen«, sagte er, ein wenig selbstgefällig, wie Margaret meinte. »Mit Mr Goldbergs Notizbuch und Miss Lockharts Papier aus dem Hauptbuch war der Fall in fünf Minuten erledigt. Alles wird zurückerstattet. Ich glaube nicht, dass viel fehlen wird. Er war ein sehr akkurater Geschäftsmann. Sehr tüchtig. Für etwaige Verluste werden wir Schadensersatz fordern. Sie werden in voller Höhe
Weitere Kostenlose Bücher