Der Tigermann
Ankunft des Linienschiffs in Bombay kommen konnten, ein Empfangskomitee geschickt?
Eli ließ sich Zeit für ein erfrischendes Bad und schlüpfte danach in den weißen Anzug, den Hugo für ihn bereitgelegt hatte. Dann klopfte er an Maras Tür.
Er lächelte, als ihm zu Bewußtsein kam, daß sie ihn ja gar nicht hören konnte. Trotzdem trat Mara unmittelbar darauf heraus. Sie trug ein langes weißes Kleid und eine goldene Halskette, die sich in ihrem Ausschnitt verlor. Eli kannte den Anhänger, den das Kleid verbarg. Er diente als Amulett, das er selbst angefertigt hatte. Der Inhalt des goldenen Gehäuses bestand aus einer Mischung von Knoblauchsamen, Arnika, Salz und Asafötida und noch einigen weniger bekannten schützenden Mitteln.
Hugo kam aus seinem Zimmer, noch ehe sie es erreicht hatten. Er schloß sich ihnen an. Nach wenigen Schritten eilte ihnen der Majordomus entgegen.
»Seine Hoheit ist nun bereit, Sie zu empfangen«, versicherte er Eli.
Hugo folgte seinem Herrn und dem Mädchen durch einen langen rundverlaufenden Korridor. Als sie die Durbar-Halle erreichten, in der die Audienz stattfand, hielt Hugo an. Der Maharadscha würde Eli und Mara allein empfangen wollen und kaum Wert auf die Gegenwart eines Dieners legen.
Die Durbar-Halle war ein Segment des reifenförmigen Palastes und ihre Wände liefen fast zusammen, so daß der Maharadscha auf seinem goldenen Thron an der abgestumpften Spitze eines Dreiecks saß. Von den beiden Leibwächtern abgesehen, die auf einer Stufe links und rechts neben dem Thron standen, und zwei weiteren unmittelbar neben der Tür, war die Halle leer.
Der Marmorboden war als Mosaik ausgelegt, die Wände waren weiß getüncht. Lediglich der sich über dem goldenen Thron schwenkende Fächer in denFarben des Maharadschas verlieh dem Raum ein wenig Leben.
»Hier verbeugen wir uns dreimal, ehe wir uns Seiner Hoheit nähern«, murmelte Mansur. »Das einfache Volk wirft sich zu Boden.«
Eli neigte tief den Kopf, und als er mit Mara und Mansur weiterschritt, sah er einen würdevoll aussehenden Mann mittleren Alters vor sich auf dem Thron, der nicht weniger prunkvoll war als die Kleidung Seiner Hoheit Sir Bhallabhai Wischnuji Kharra, Maharadscha von Terrahpur.
Der Turban des Prinzen aus goldfarbigem Stoff war mit einem Reiherbusch verziert, in dessen Mitte ein riesiger Rubin steckte. Sein mit goldener Spitze und Brillanten übersätes scharlachrotes Gewand reichte bis zu den Pantoffeln, die aus purem Gold zu sein schienen.
Der Prunk seiner Aufmachung lenkte fast von seiner Persönlichkeit ab. Der Maharadscha hatte ein energisches Gesicht mit Backen- und Schnurrbart. Die braunen Augen wirkten seltsam mild im Kontrast zu dem martialischen Bart. Die Nase war kräftig und wies auf einer Seite eine nicht sehr tiefe Narbe auf.
Den Mann umgab eine Aura von eigenartiger Melancholie. Die Last seines Amtes schien ihn zu bedrücken. Eli fragte sich, wie lange die Durbar wohl gedauert hatte. Sie in diesem schweren Gewand durchzuhalten, mußte auf längere Zeit eine Qual sein.
»Euer Hoheit«, Mansur verneigte sich tief, »ich stelle Euer Hoheit Eli Podgram Sahib und Mara Memsahib vor.«
»Terrahpur ist geehrt, Mr. Podgram.« Der Maharadscha klatschte in die Hände, woraufhin sofort zwei Stühle gebracht wurden.
»Bitte setzen Sie sich«, bat er.
Eli erkannte das Staunen in den Augen der Leibwachen. In der Gegenwart des Maharadschas zu sitzenwar gewöhnlich nicht gestattet. Damit widerfuhr ihnen eine ungewöhnliche Ehre.
»Die Zeremonie des Vorstellens ist leider notwendig«, seufzte der Maharadscha müde. »Sie ist Tradition. Und bei uns in Indien ist nun mal eben alles Tradition. Aber damit haben wir den Förmlichkeiten Genüge getan. Wir können uns jetzt, ohne die Tradition zu brechen, in meine Privatgemächer zurückziehen und über die Angelegenheit sprechen, deretwegen ich Sie hierherzukommen bat.«
Sein Englisch war perfekt. Er hatte die Schule für Prinzen in Dehru Dun besucht und war außerdem von einer Anzahl englischer Privatlehrer unterrichtet worden.
Eli wollte gerade den Mund öffnen, als er bemerkte, wie sich der Gesichtsausdruck des Prinzen abrupt änderte und er sich besorgt nach vorn beugte.
Eli wandte sich um und sah, daß Mara am ganzen Körper zitterte.
»Ihre Begleiterin fühlt sich nicht wohl. Keine weiteren Förmlichkeiten mehr, Mr. Podgram. Ich beende hiermit die Audienz. Bitte bringen Sie Miß Mara auf ihr Zimmer. Ich lasse sofort nach meinem Leibarzt
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