Der Tod auf dem Nil
heiraten und nach einem Jahr stirbt sie und hinterlässt mir den ganzen Kies.› Da hatte er einen ganz komischen, verwirrten Blick. Und da hat er zum ersten Mal daran gedacht…
Er hat ziemlich oft darüber geredet, immer wieder – wie vorteilhaft es wäre, wenn Linnet tot wäre. Ich habe immer gesagt, dass das eine furchtbare Idee ist, und dann hat er den Mund gehalten. Und eines Tages habe ich ihn erwischt, als er alles Mögliche über Arsen las. Ich habe es ihm auf den Kopf zugesagt und er hat nur gelacht und gesagt: ‹Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Ich komme wahrscheinlich nie wieder im Leben so nahe an so viel Geld.›
Etwas später konnte ich erkennen, dass er den Entschluss gefasst hatte. Und ich habe Angst gekriegt – furchtbare Angst. Weil mir nämlich klar wurde, dass er es niemals zu Stande bringen würde. Er ist so kindisch einfach gestrickt. Er würde sich nicht mit Skrupeln herumschlagen – und er hat keine Fantasie. Er hätte ihr vermutlich einfach Arsen eingetrichtert und erwartet, dass der Arzt erklärt, sie ist an einem Magengeschwür gestorben. Er dachte immer bloß, das geht schon alles in Ordnung.
Und deshalb musste ich auch einsteigen, um auf ihn aufzupassen…» Sie sagte es ganz schlicht und treuherzig.
Poirot hatte keinen Zweifel, dass genau das ihr Motiv gewesen war. Sie selbst war nicht begierig auf Linnets Geld, aber sie liebte Simon Doyle, und ihre Liebe lag jenseits der Vernunft, jenseits der Anständigkeit, jenseits des Mitleids.
«Ich habe immer wieder gegrübelt – über einen möglichen Plan. Die Hauptsache, schien mir, müsste ein zweifaches Alibi sein. Sie wissen – dass Simon und ich uns irgendwie gegenseitig belasten, aber genau das uns von allem entlastet. Es würde mir leicht fallen, so zu tun, als ob ich Simon hasse. Das war ziemlich wahrscheinlich angesichts der Umstände. Und wenn Linnet getötet würde, dann müsste ich in Verdacht geraten, und deshalb war es das Beste, wenn ich von vornherein verdächtig wäre. Wir haben nach und nach alle Einzelheiten ausgearbeitet. Ich wollte, dass sie, wenn irgendetwas schief ginge, mich kriegten und nicht Simon. Aber Simon war besorgt um mich.
Das Einzige, worüber ich froh war, war, dass ich es nicht tun musste. Das hätte ich einfach nicht gekonnt! Sie kaltblütig im Schlaf umbringen! Wissen Sie, ich hatte ihr keineswegs verziehen – ich glaube, ich hätte sie umbringen können, in der direkten Konfrontation, aber nicht so…
Wir haben alles sorgfältig geplant. Trotzdem musste Simon auch noch mit Blut ein J schreiben, eine alberne, melodramatische Geste. Genau die Art, auf die er kommt! Aber es ging alles gut.»
Poirot nickte. «Ja. Es war nicht Ihre Schuld, dass Louise Bourget in jener Nacht nicht schlafen konnte… Und danach, Mademoiselle?»
Sie sah ihm fest in die Augen. «Ja – das ist ziemlich erschreckend, nicht? Ich kann gar nicht glauben, dass ich – das getan habe! Ich weiß jetzt, was Sie gemeint haben mit dem Herzen, das man für das Böse öffnet… Sie wissen sehr gut, wie es passierte. Louise gab Simon zu verstehen, dass sie alles wusste. Simon überredete Sie, mich zu ihm zu holen. Und sobald wir allein waren, erzählte er mir, was passiert war. Er sagte, ich müsste es tun. Ich war nicht einmal erschrocken. Ich hatte nur Angst – Todesangst… Das macht Mord mit einem. Simon und ich waren in Sicherheit – ganz sicher –, wenn diese erbärmliche französische Erpresserin nicht gewesen wäre. Ich habe ihr das ganze Geld hingebracht, das wir zusammenkratzen konnten. Ich habe so getan, als ob ich klein beigebe. Und als sie das Geld dann gezählt hat, habe ich – es getan! Es war ganz leicht. Und das ist das Entsetzliche, das entsetzlich Erschreckende daran… Es ist so furchtbar leicht…
Aber nicht einmal danach waren wir sicher. Mrs. Otterbourne hatte mich gesehen. Und lief triumphierend das Deck entlang, auf der Suche nach Ihnen und Colonel Race. Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken. Ich habe einfach blitzartig gehandelt. Das war richtig aufregend. Ich wusste, es ging um Leben oder Tod. Und irgendwie wurde es dadurch besser…» Wieder hielt sie inne.
«Wissen Sie noch», fragte sie dann, «wie Sie danach in meine Kabine kamen? Sie sagten, Sie wüssten eigentlich nicht, warum. Ich fühlte mich so elend – hatte panische Angst. Ich dachte, Simon stirbt…»
«Und ich – hoffte darauf», sagte Poirot.
Jacqueline nickte. «Ja, für ihn wäre es das Beste gewesen.»
«Das war nicht mein
Weitere Kostenlose Bücher