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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Aber welchen Grund hätte Dr. Bessner, Linnet Doyle umzubringen? Keinen, soweit ich weiß. Also Simon Doyle? Aber das war unmöglich! Es gab jede Menge Zeugen, die beschwören konnten, dass Doyle abends den Salon nicht verlassen hatte, bis der Streit ausbrach. Danach war er verletzt und es wäre für ihn physisch unmöglich gewesen hinauszugehen. War meine Beweislage zu beiden Aspekten dicht? Ja, ich hatte die Aussagen von Mademoiselle Robson, von Jim Fanthorp und von Jacqueline de Bellefort bezüglich des ersten und die fachkundige Bestätigung von Dr. Bessner und Mademoiseile Bowers bezüglich des zweiten Punkts. Zweifel war nicht möglich.
    Also musste Dr. Bessner der Schuldige sein. Für diese Überlegung sprach die Tatsache, dass das Dienstmädchen mit einem Skalpell erstochen worden war. Andererseits hatte Dr. Bessner selbst freiwillig darauf hingewiesen.
    Und dann, meine Freunde, wurde mir eine zweite, unzweifelhafte Tatsache bewusst. Louise Bourgets Hinweis konnte sich nicht an Dr. Bessner richten, denn sie hätte jederzeit unter vier Augen mit ihm reden können. Es gab eine Person, und nur eine einzige, die zu ihrem Anliegen passte – Simon Doyle. Simon Doyle war verletzt und unter ständiger Aufsicht eines Arztes und lag in dessen Kabine. Ihm gegenüber also wagte sie diesen zweideutigen Hinweis, für den Fall, dass sie sonst keine Gelegenheit mehr haben würde. Und ich weiß auch noch, dass sie sich dann direkt an ihn wandte: ‹Monsieur, ich beschwöre Sie, Sie sehen doch, wie es ist? Was kann ich denn sagen?› Und was er antwortete: ‹Gutes Mädchen, seien Sie nicht töricht. Kein Mensch denkt, dass Sie etwas gesehen oder gehört haben. Ich werde für Sie sorgen. Kein Mensch macht Ihnen irgendwelche Vorwürfe.› Diese Zusicherung hatte sie gewollt und sie hat sie bekommen!»
    Dr. Bessner schnaubte geräuschvoll. «Ach! Das ist töricht! Glauben Sie, ein Mann mit einem geschienten gebrochenen Bein könnte auf dem Schiff herumspazieren und Leute erstechen? Ich sage Ihnen, es war Simon Doyle nicht möglich, die Kabine zu verlassen.»
    Sanft sagte Poirot: «Ich weiß. Das ist völlig richtig. Es war unmöglich. Es war unmöglich, aber es war trotzdem wahr! Hinter Louise Bourgets Worten konnte nur ein logischer Sinn stecken.
    Also kehrte ich zum Ausgangspunkt zurück und besah mir das Ganze noch einmal im Licht dieses neuen Wissens. War es möglich, dass Simon Doyle den Salon in der Zeit vor dem Streit verlassen und die anderen das vergessen oder nicht bemerkt hatten? Ich konnte es mir nicht vorstellen. Durfte man die fachkundigen Aussagen von Dr. Bessner und Mademoiselle Bowers außer Acht lassen? Wieder war ich sicher, das durfte ich nicht. Mir fiel aber ein, es gab eine Lücke. Simon Doyle war etwa fünf Minuten lang allein im Salon gewesen und Dr. Bessners Attest bezog sich nur auf die Zeit danach. Für diesen Zeitraum jedoch hatten wir nur einen Augenzeugenbericht, und der war, obwohl er gesichert schien, nicht mehr so sicher. Was war denn wirklich gesehen worden – wenn man Mutmaßungen unberücksichtigt lässt?
    Mademoiselle Robson hatte Mademoiselle de Bellefort schießen sehen, hatte Simon Doyle auf dem Stuhl zusammenbrechen sehen und hatte gesehen, wie er ein Taschentuch an sein Bein drückte und durch dieses Taschentuch nach und nach etwas Rotes sickerte. Was hatte Mr. Fanthorp gesehen und gehört? Er hatte einen Schuss gehört und gesehen, dass Simon Doyle ein rot beflecktes Taschentuch an sein Bein drückte. Was war dann passiert? Doyle hatte darauf bestanden, dass man Mademoiselle de Bellefort wegbrachte und dass man sie nicht allein ließ. Danach sollte Fanthorp nach Monsieur Doyles Vorschlag den Arzt holen.
    Dementsprechend gehen Mademoiselle Robson und Monsieur Fanthorp mit Mademoiselle de Bellefort hinaus, und sie halten sich die nächsten fünf Minuten auf der Backbordseite des Decks auf. Die Kabinen von Mademoiselle Bowers, Dr. Bessner und Mademoiselle de Bellefort liegen alle auf der Backbordseite. Mehr als zwei Minuten braucht Simon nicht. Er holt die Pistole unter dem Sofa hervor, zieht die Schuhe aus, rennt wie ein Wiesel leise die Steuerbordseite entlang, geht in die Kabine seiner Frau, stellt die Flasche mit der roten Tinte auf den Waschtisch (sie darf nicht bei ihm gefunden werden), rennt zurück, nimmt Miss Van Schuylers Samtstola, die er vorher heimlich bei einem der Sessel an die Seite gestopft hatte, schlingt sie um die Pistole und schießt sich eine Kugel ins Bein. Der

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