Der Tod aus dem Norden
hatten hier ›aufräumen‹ wollen. Sie waren in die Hütte gestürzt wie die Wilden und mußten nun erkennen, daß ich die besseren Karten besaß.
Ich sagte kein Wort; es wäre sowieso sinnlos gewesen. Meine Haltung ließ keine Diskussionen zu.
Dafür redete Freya, und das wiederum wunderte mich. Andere Frauen wären vermutlich völlig verschüchtert gewesen. Sie aber fing sich ziemlich schnell und zischelte den Kriegern etwas zu. Einer antwortete ihr.
Danach sprach Freya wieder. Wenn ich mich nicht sehr irrte, hatte ihre Stimme sogar erleichtert geklungen. Das wiederum gefiel mir nicht besonders. Trotz meiner augenblicklich guten Situation war ich noch lange nicht gerettet. Ich befand mich auf feindlichem Gebiet, auf dem die Schlinge immer enger gezogen wurde.
Freya bewegte den Kopf kaum, dafür die Augen. Sie versuchte mir etwas zu sagen.
Dem Klang ihrer Worte nach zu urteilen, fühlte sie sich nicht sehr bedroht, obgleich das Messer ihre Haut am Hals berührte. Und sie lachte leise, als vorder Hütte Stimmen erklangen.
Eine stach besonders hervor. Sie besaß einen befehlenden, herrischen Klang und konnte gut einem Anführer gehören.
Von den vier bewaffneten Kriegern vor uns bewegten sich zwei. Sie traten zur Seite, damit sie den Eingang frei gaben und die Person mit der herrischen Stimme die Hütte betreten konnte.
Es war Leif, der Grausame!
Ohne es zu wollen, packte ich die Frau fester. Der Dolch in meiner Hand zitterte nicht. Ich schaute über Freyas Kopf hinweg auf den Anführer und konzentrierte mich auf dessen Augen.
Es war komisch, aber ich glaubte fest daran, keiner Täuschung zum Opfer gefallen zu sein. Der Häuptling und die Frau hatten die gleiche Augenfarbe. Auch sonst fand ich Gemeinsamkeiten in ihren Gesichtern, wie die Form des Kinns oder des Mundes.
Bruder und Schwester? Möglich - es konnte auch Vater und Tochter sein. So genau waren sie für mich altersmäßig nicht einzuschätzen. Jedenfalls hatte ich mit meiner Geisel voll ins Schwarze getroffen und mir die richtige ausgesucht.
Stellte sich allerdings das Problem des Austauschs. Gern hätte ich die Frau freigelassen und gegen meinen Begleiter Braddock ausgetauscht. Dem Häuptling das allerdings klarzumachen, würde schwer genug sein. Er schüttelte seinen Kopf, auf dem der Helm mit den drei Stäben saß. Das Gesicht erinnerte mich in diesem Augenblick an eine zerklüftete Landschaft. Die Lippen lagen hart aufeinander, der Mund zeigte einen dünnen Strich.
»Tu es nicht!« flüsterte ich, und mir war es egal, ob er mich verstand. Ich rechnete damit, daß er mich verstand, denn zusätzlich bewegte ich noch den Dolch, ohne allerdings die Haut anzuritzen. Die Geste mußte auch so reichen.
Leif blieb stehen. Aus seinem Mund drang ein keuchendes Geräusch. Er schüttelte den Schädel und sah Freya an, die schnell und hastig antwortete.
Leifs Rechte fiel nach unten. Die Finger umklammerten den Griff der mächtigen Streitaxt an seiner blanken Seite. Eine derart große Waffe hatte ich noch bei keinem Wikinger gesehen.
Zog er sie?
»Hüte dich!« rief ich.
Plötzlich grinste er. Es war ein hinterhältiger Ausdruck, gemein und wissend gleichzeitig. Er fuhr die vier Krieger mit harten Worten an, die auf der Stelle kehrtmachten und die Hütte verließen. Leif, der Grausame, blieb. Er fixierte mich mit harten Blicken. Dann schnellte sein rechter Arm vor wie eine Lanze. Der ausgestreckte Finger deutete auf mich, und über seinen Arm hinweg sprach er mich mit rauher Stimme an.
Ich verstand kein Wort, entnahm jedoch dem Klang der Stimme, daß es sich um eine wüste Drohung handeln mußte. Dann endete er, drehte sich herum und ging mit festen Schritten weg.
Freya und ich blieben zurück. Weshalb hatte Leif die Hütte verlassen?
Warum ließ er uns allein?
Die Frau gab mir die Antwort. Sie sprach schnell und flüsternd. Es brachte nichts, weil ich kein Wort verstand. Mir war natürlich klar, daß ich nicht ewig hierbleiben konnte. Ich mußte raus aus der Hütte. Zwischen diesen Wänden kam ich mir doppelt gefangen vor. Um wegzukommen, mußte ich das Drachenschiff und die Puppe in die Hände bekommen, was verdammt schwer sein würde.
Ich ließ einige Zeit verstreichen und dachte über mein weiteres Vorgehen nach. Was immer ich auch tat, auszurechnen war nichts. Ich würde stets Überraschungen erleben.
Freya war in meinem Griff einfach zu schwer geworden. Ich hatte sie wieder normal hingestellt, bedrohte sie allerdings weiterhin, und sie
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