Der Tod aus dem Norden
traf auch keine Anstalten einer Gegenwehr.
Ich fror. Die nasse Kleidung klebte an meinem Körper. Gleichzeitig verspürte ich Durst. Meine Kehle kam mir vor wie ein ausgetrocknetes Flußbett.
Bevor ich mich zu einer Entscheidung überwinden konnte, passierte etwas anderes.
Es hatte weder mit Freya noch mit mir zu tun. Von draußen vernahm ich die dumpfen, dröhnenden Echos der Frommein und kam mir plötzlich vor wie in einer anderen Welt.
Voodoo…!
Das dumpfe Hämmern der Hände auf die straffe Bespannung der Trommeln. Der sonderbare Klang, der nicht hart war, sondern als weiche, eindringliche Botschaft über das Land und zu den Menschen geschickt wurde.
So begannen die Rituale, die großen Beschwörungen, die mit dem Tod und der Überwindung des Todes endeten und aus Menschen Zombies machten.
Ich hätte Freya gern gefragt, weshalb die Trommeln geschlagen wurden. Das war nicht möglich. So mußte ich mir den Grund eben zusammenreimen.
Ich konnte ihn mir vorstellen.
Mich hatten sie nicht als Opfer, aber Clive Braddock. Wahrscheinlich wurden die Trommeln seinetwegen geschlagen.
Gesehen hatte ich ihn in der letzten Zeit nicht. Ich ging davon aus, daß sie ihn auf den Dorfplatz geschafft hatten, wo sich sein Schicksal erfüllen sollte.
Allmählich ging ich davon aus, daß Freya noch etwas länger meine Geisel bleiben würde.
Ich legte die Hand mit dem Messer auf die rechte Schulter und kantete die Klinge. Die Spitze zeigte jetzt auf ihre Wange. Die andere Handfläche drückte ich in ihr Kreuz. Die Geste mußte sie einfach begreifen.
Freya ging vor. Es war ein Risiko, die Hütte durch den normalen Eingang zu verlassen. In der Nähe versteckt konnten Krieger lauern, die nur auf mich warteten.
Das aber war zum Glück nicht der Fall. Wahrscheinlich war ich als zweites Voodoo-Opfer vergessen worden. Jedenfalls entdeckte ich keine unmittelbare Gefahr.
Es kam mir vor, als hätten die Wikinger bewußt Abstand genommen. Mir sollte es recht sein.
Freya hatte ich wieder fester gepackt. Auch das Messer lag dichter an der Kehle. Wir gingen langsam. Ich wollte ihr nicht durch unüberlegte Bewegungen schaden. Töten wollte ich sie schließlich nicht. Die Feuer hatten neue Nahrung bekommen und brannten knisternd und funkensprühend. Kleine Glutteile zerplatzten und sprühten wie eine Wunderkerze in der Dunkelheit.
Eine schaurige Szenerie aus Feuer und tanzenden Schatten hatte uns empfangen. Und über allein schwebte der dumpfe Klang der Voodoo-Trommeln. Wo sie geschlagen wurden, konnte ich nicht erkennen. Der Klang hatte sich nur verstärkt und übertönte sogar das Rauschen des Wassers. Wahrscheinlich mußten der oder die Trommler dort stehen, wo die Felsen eine hohe Mauer bildeten, denn der Klang ertönte von dort. Ob wir beobachtet wurden, war ebenfalls nicht festzustellen. Ich jedenfalls gab höllisch acht, schaute auch öfter zurück, weil ich im Rücken keine Augen hatte und nicht unbedingt angegriffen werden wollte.
Bisher hatte alles gut geklappt. Niemand verfolgte uns. Auch Leif, den Grausamen, sah ich nicht. Wie es schien, wollte er sich um seine Tochter oder Frau nicht kümmern, was mich bedenklich stimmte.
Wir schritten dem Klang der Trommeln entgegen. Freya traf keinerlei Anstalten, sich zu befreien. Sie kam mir gleichgültig vor und sagte kein Wort.
Der Platz zwischen den Hütten wurde von den flackernden Feuerstellen ausgeleuchtet. Auf dem Boden malten sich die huschenden Schatten ab. Einmal kam ein Krieger ziemlich dicht an uns heran, blieb stehen, machte sofort kehrt und lief auf die Felswand zu. Und dort entdeckte ich Clive Braddock!
Der Widerschein des Feuers strich über seine am Boden liegende Gestalt. Er hing in einem Netzwerk aus Tauen das ihn in der Lage hielt. Aus eigener Kraft kam er nie frei; diese Fesselung war mehr als teuflisch. In mir stieg ohnmächtige Wut auf, auch deshalb, weil ich Krieger in seiner Nähe sah, über deren blanke Waffen das Schattenspiel der Flammen hinweghuschte.
Auch die Trommler entdeckte ich. Es waren zwei. Sie hockten zu beiden Seiten Braddocks am Boden und schlugen mit ihren flachen Händen auf die straffe Bespannung.
In mir kochte es. So einfach bekam ich Clive Braddock niemals frei, das stand fest. Ich konnte nicht einmal erkennen, ob er noch lebte oder schon tot war.
In diesem Moment kam ich mir verdammt allein vor und verfluchte mein Schicksal.
Freya lachte leise.
Sie hatte gespürt, was in mir vorging, und glaubte fest daran, daß sie gewinnen
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