Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
Pfeifenkopf und steckte sie in einen Lederbeutel zurück. Schließlich schlug er den Kragen seiner Jacke hoch und ging in bedächtigen, aber weit ausgreifenden Schritten den Fußweg zum Schloss empor. Sein dichtes graues Haar steckte unter einer Schiebermütze. An seiner linken Schulter hing eine bauchige Hülle, in der sich ein Fernglas befinden mochte. Bevor er das beleuchtete Haupttor erreichte, schlug er sich in die Büsche und überquerte den Rasen, bis er vor dem schmiedeeisernen Tor des Prälatengartens stand. Er hielt kurz inne, prüfte die Umgebung, hob dazu den Kopf, als könne er Gefahren wittern, griff dann in seine Jackentasche, holte einen groben Dietrich hervor und schloss das Tor auf. Offenbar wusste er, dass die alte, lange nicht geölte Mechanik ein kreischendes Geräusch verursachte. Ruckweise unter dem abgehackten Stöhnen der Türangeln schob er es auf. Er steuerte die Bank unter den hohen Fliederbüschen an und setzte sich. Aus seinem Futteral holte er einen Feldstecher und richtete ihn auf das Verwalterhaus. Alle Fenster waren dunkel, dennoch suchte er sie eines nach dem anderen ab. Zuletzt nahm er den Schlossturm ins Visier. Als er das Glas scharf gestellt hatte, erkannte er, dass es sich bei dem flackernden Licht dort oben um eine Fackel handelte. Zufrieden setzte er es ab. Bevor er es wieder in der Hülle verstaute, gestattete er sich die Muße, damit in den Himmel zu sehen. Er war immer noch klar und von keiner Wolke getrübt. Der aktuellen Konstellation ließ sich eine vorteilhafte Deutung abgewinnen: Der rote Mars wirkte im Verborgenen, Andromeda blieb angekettet. Schließlich erhob er sich und ging zum Verwalterhaus hinüber.
     
4.
    Mira stöhnte im Schlaf, ich bettete ihren Kopf ein wenig um. Gut, dass die Fackel draußen nun erloschen war. Ich zweifelte, ob ich Miranoch einmal wach bekommen würde, um in unsere Wohnungen hinüberzugehen. Die Nacht in der Hängematte zu verbringen war jedoch keine unbequeme Lösung, man musste lediglich achtgeben, dass man nicht verschlief.
    Ich schaukelte hin und her und hätte nur die Augen schließen müssen, um einzuschlafen. Aber ich wollte nicht. Im Zwischenreich von Wachsein und Schlaf konnte man die Windungen eines Gedankens bis zu seinem Ende verfolgen. Alles verlangsamte sich. Nüchtern glich das hektische Treiben in meinem Kopf einem Bildschirmpingpong mit vielen Bällen. Die scheinbar einfache Übung, einem Ball auf der Spur zu bleiben, misslang, weil die Aufmerksamkeit stets auf einen gegenläufigen oder kreuzenden Lichtpunkt übersprang. So blieb vieles unabgeschlossen und spukte dort oben nur deshalb weiter herum, weil man es nie geschafft hatte, sich davon zu erlösen.
    Endlich kehrte schwarz gesättigte Ruhe ein, und mit ihr tauchte
Zuma
aus meinen Erinnerungen auf, um mir einen Besuch abzustatten.
    Vor einigen Jahren hatte ich beim Reggae-Sommer am Chiemsee ein altes verwittertes Männlein kennengelernt, das zum Tross der
Submastas
gehörte. Er war kein Bandmitglied, auch kein Roadie, eher eine Art Maskottchen. Während des Konzerts hatte er im Hintergrund der Bühne auf einem niedrigen Hocker Platz genommen. Bei dem Alten handle es sich um
Zuma
, einen indianischen Medizinmann, er sei der spirituelle Begleiter der
Submastas
, sagte einer der Umstehenden. Sein faltiges, mageres Gesicht wirkte eskimoartig, was im bürgerlichen Leben ein Haarkranz gewesen wäre, hatte er am Hinterkopf zu Rasta-Spirallocken geflochten und verfilzen lassen, wo sie nun wie Glöckchen herabhingen. Er saß auf dem Trittbrett eines bunten Tourbusses. Ich war auf dem Weg zu meinem Wagen, um zum Übernachten nach Hause zu fahren. Meinen Schlafsack hatte ich zwar im Kofferraum, verspürte aber wenig Lust, mich in die Botanikzu rollen. Ich war von der Musik und der Sonne ausgezehrt und freute mich auf ein bequemes Bett. Er schnalzte mit der Zunge, als ich an ihm vorüberging. Ich grüßte ihn lässig nach Cowboyart, indem ich mit beiden Fingern an die Krempe meines Stetsons tippte, der nach dem dritten Joint wie von selbst auf meinem Kopf erschienen war. Er lachte und winkte mich zu sich. Als ich neben ihm saß, redete er kein Wort, sondern stopfte mit ruhiger Umsicht ein Chillum. Er rauchte es an. Dabei zog sich die Haut seiner Backen so pergamentartig dünn nach innen, dass sie durchsichtig schien. Dann reichte er mir das hölzerne Teil. Nur der Teufel wusste, mit welchem Kraut er den Konus gestopft hatte, jedenfalls wurde mein Hirn von einem endlos scheinenden

Weitere Kostenlose Bücher