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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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frei geblieben. Er sei Junggeselle, sagte Ashton entschuldigend, und brauche seine Wohnung nur zum Arbeiten und Schlafen. Alles andere finde nebenan in der
Hall
statt, wo man durch das College hervorragend verpflegt werde. Es tue ihm leid, wenn sie einen so ungastlichen Eindruck biete.
    Mir war unwohl. Meine Mutter legte ihre Hand auf meinen Unterarm, und ich spürte ihre Absicht, mich zu beruhigen. Er brachte Tee und goss uns ein. Auf einem Unterteller lagen Haferkekse, die am Rand leicht abgebröckelt waren. Wir hatten unser Gespräch bislang in Englisch geführt. Ich bat ihn, langsam zu sprechen, es sei für meine Mutter sonst sehr schwierig, uns zu folgen.
    – Kein Problem, antwortete er, ich spreche auch Deutsch.
    Ein jäher Schrecken durchfuhr mich. Sein Deutsch war ausgezeichnet, aber mit einer unüberhörbaren schweizerischen Färbung.
    – Allerdings Schweizerdeutsch. Ich war sehr lange in Zürich, wie Sie vielleicht wissen, und habe die Sprache dort gelernt.
    – Ich weiß, sagte meine Mutter.
    Sie öffnete ihre Tasche und kramte einen Zettel hervor, den sie Ashton zuschob.
    – Kennen Sie das?
    Ashton musterte den Zettel.
    – Freilich. Quarks und Antiquarks. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir eine Pfeife anzünde?
    – Nein, sagte meine Mutter, ich rieche Pfeifentabak gern.
    Ashton holte aus seiner Brusttasche einen rindsledernen Tabakbeutel, entnahm ihm eine gebogene Bruyèrepfeife und stopfte sie.
    – Die Musik, die Sie in der Kapelle gespielt haben, Professor Ashton, das war doch eine Komposition meines Vaters. Woher haben Sie diese Noten?
    Er antwortete nicht, sondern saugte stoßweise an der Pfeife, bis die Glut die gesamte Oberfläche erfasst hatte. Dann blies er das Zündholz aus. Schließlich musterte er zuerst meine Mutter und dann mich.
    – Aber er ist ja nun tot. Und deswegen sind Sie doch hier.
    Mein Mutter wurde blass.
    – Was wissen Sie über seinen Tod?
    Bedauern spiegelte sich in seinem Gesicht. Seine Geste verriet jedoch keinen inneren Kern wirklicher Anteilnahme.
    – Ich musste ihn erschießen.
    Fast beiläufig fasste er in den Zeitschriftenkorb neben sich und holte eine Pistole hervor, die er auf die breite Lehne seines Sessels legte.
    – Um Unvorsichtigkeiten Ihrerseits zu vermeiden, sollten Sie wissen, dass ich an der Waffe ausgebildet bin.
    Die Hand meiner Mutter krallte sich in meinen Oberschenkel. Ashton blies den Rauch nach oben und deutete mit dem Pfeifenstiel auf seine Brust.
    – Aber ich hatte ein Recht dazu.
    – Niemand hat ein solches Recht!
    Er quittierte meinen Protest lächelnd.
    – Verständlich, dass Sie das sagen. Aber hören Sie zu, dann werden Sie sich meinen Argumenten anschließen.
    Er riss ein Zündholz an, um seine Pfeife wieder in Gang zu bringen.
    – Da drüben im Trinity und King’s College trieb mit den
Apostles
ein stalinistischer Debattierclub sein Unwesen, dem Landesverräter wie Philby, Burgess, Blunt und MacLean entsprungen sind. Wir
Clerkies
hier in St. Matthew’s haben eine völlig andere Tradition und waren immer schon Patrioten. Es wird Sie also nicht verwundern, dass ich mich frühzeitig dem MI6 zur Verfügung gestellt habe.
    Er deutete mit der Pfeife auf mich.
    – Dieser Einsatz hat mich ein großes Opfer gekostet. Aus den Aufzeichnungen Ihres Vaters wissen Sie, dass er Petris Notizbuch für seine Auftraggeber besorgt hat. Ich hatte zusammen mit Petri das Konzept meiner
Snarks
fast zu Ende gebracht. Ein paar Krumen fehlten mir noch. Dann wurde Petri erschossen, aber was noch schlimmer ist:Bertold hat die mein Projekt betreffenden Passagen abgeändert und verfälscht. Nachdem unsere Leute diese Aufzeichnungen erbeutet hatten, wurden sie mir zur Prüfung vorgelegt.
    Sein leerer Blick wanderte zur Decke. Auch Hilfe von oben war ihm versagt geblieben.
    – Ich habe diese Fälschung für bare Münze genommen. Jahrelang habe ich mit diesen Vorgaben gerechnet und bin schließlich verzweifelt. Ich bin auf eine vollkommen falsche Spur gesetzt worden. Bertold allein ist es zuzuschreiben, dass ich nie die Früchte meiner Arbeit ernten konnte, er hat meine gesamte intellektuelle Existenz vernichtet. Ich hätte den Nobelpreis erhalten müssen und nicht Gell-Mann. Stattdessen wurde ich zu einem drittklassigen Wissenschaftler degradiert.
    Meine Mutter hielt meine Hand umfasst.
    – Sie haben eine Unschuldige getötet!
    – Ich war sicher, dass Bertold Aufzeichnungen hinterlassen würde, und hatte recht damit. Es lag nahe, solche Papiere bei Ihnen

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