Der Tod bin ich
schienen. Vieles von dem, was das Büchlein enthielt, war nicht nachzuvollziehen, weil der Zusammenhang fehlte. Solche Passagen waren harmlos. Petris Ansätze zu einer allgemeinen Feldtheorie jedoch wollte ich keinesfalls aus der Hand geben. Außerdem widerstrebte es mir, seine letzten mathematischen Ausführungen zu Ashtons Problem Salantino auszuhändigen. Die kollegiale Fairness gebot, ihn seine Arbeit zu Ende führen zu lassen, damit er die ihm zustehende Anerkennung ernten konnte.
Ich entnahm also dem Ringbuch die gesamte Abteilung
Feldtheorie
.Die Anmerkungen zu Ashtons Arbeit sah ich nochmals genau durch. Das meiste war belanglos. Wichtig schien mir nur ein Blatt. Ich entnahm es und füllte die Lücke mit ein paar Formeln auf, die man plausiblerweise hätte verwenden können. So fehlte den Hinweisen Petris die Zuspitzung, und Ashtons Arbeit war keine leichte Beute für Schmarotzer.
Danach räumte ich alle Papiere beiseite, verschloss das Büchlein wieder.
39.
Nach einem milden Oktober zeigte sich der November von seiner rauen Seite. Ein kalter Wind blies seewärts kommend in die noch dunkle Stadt hinein, als ich eingepackt in Mantel, Schal und Mütze zur Quaibrücke hinunterging. In diesen Tagen war ich mit mir im Reinen, zumindest war ich davon überzeugt, alles so gut gemacht zu haben, wie die Umstände es zuließen.
Vorgestern hatte ich auf einem Spaziergang den Kolonialwarenladen in der Niederdorfstraße besucht. Dort besorgte ich die Kautschukhandschuhe, von denen ich einen in meiner Tasche trug. Er war groß genug, um das Notizbuch wasserdicht zu verpacken. Anschließend rief ich von einer Telefonzelle aus die mit Salantino vereinbarte Nummer an.
– Zurbriggen, meldete sich eine Männerstimme.
Ich wusste nicht, mit wem ich sprach, aber der Name entsprach dem vereinbarten Code.
– Ich werde am Mittwoch mit dem Morgenschiff kommen, erwiderte ich und hängte ein.
Das beleuchtete Schiff schwankte, hin und her geworfen von dem ständigen Wellengang. Das Restaurant war bereits geöffnet. Ich bestellte einen Kaffee und ging anschließend gleich mit meiner Aktenmappeauf die Toilette. Dort öffnete ich den Wasserkasten und verstaute das Handschuhpaket darin.
Als ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte, lag das Schiff immer noch am Quai. Kurz entschlossen ging ich von Bord. Mein Auftrag war erfüllt, und es gab daher keinen Grund, weitere Zeit dort zu verbringen. Als die Sirene ertönte und das Boot ablegte, war ich bereits wieder auf dem Heimweg.
40.
In Wollishofen bestieg ein massiger Mann das Schiff, dem Anschein nach ein Handwerker. Er trug einen Blaumann, darüber einen Parka und hatte eine schwarze Pudelmütze tief ins Gesicht gezogen. Sich als Prolet zu tarnen kam Razors gegenwärtiger Verfassung am meisten entgegen. Bartstoppeln standen in seinem Gesicht und auch sonst machte er keinen gepflegten Eindruck. Immer wieder versuchte er sich ins Gehirn zu hämmern, dass Svetlana nur eine Nutte war, die einen Russen fickte, aber wenn er sie vor sich hatte, trübte sich sein Blick im selben Maß wie sein Verstand. Er mochte nicht verstehen, warum er diesen attraktiven Körper nicht in seinen Besitz bringen konnte.
Razor bestellte sich einen Tee mit Rum. Unauffälligkeit gehörte zu seinen größten Fähigkeiten. Er war ein idealer Schattenmann, der sich vollständig in sein Umfeld einpassen konnte, und ein aufmerksamer Beobachter. Ihm entging nichts.
Aber durch den Svetlana-Schmerz war auch sein Sinn für Auffälligkeiten betäubt. Dicht hinter ihm war ein rundgesichtiger Mann aufs Schiff gegangen, der eine Mütze wie Taxichauffeure trug. Rauchend lehnte er an der Reling und schaute in das Lokal hinein, wo Razor ihm den Rücken zukehrte.
Razor kippte den Tee hinunter. Angeekelt blickte er auf die Toilette.Ein passenderer Ort für seinen Job ließ sich zur Zeit kaum denken. Er packte sein Handwerkerköfferchen und machte sich auf. In der Toilette stellte er sich auf den zugeklappten Klodeckel, fasste mit der Hand in den Wasserkasten und tastete ihn ab, bis er das Gesuchte gefunden hatte. Das Ding in dem Handschuh wirkte eckig und kompakt, gut so, dachte er, hatte es also etwas gefruchtet, den Kerl zurechtgestutzt zu haben. Jemand versuchte von draußen die Kabinentür zu öffnen. Razor knurrte. Konnte der nicht warten? Er zog die Spülung, trat nach draußen und stand einem freundlich wirkenden Chauffeur gegenüber. Im selben Moment spürte er, dass sich etwas in ihm gegen diesen Menschen
Weitere Kostenlose Bücher