Der Tod bin ich
gesetzt und warf mir seinen Schlüsselbund zu. Ich fuhr mit der Karre zum Pferdestall hinüber und stellte alles an seinen Ort zurück. Die Gelegenheit war günstig. Rasch hatte ich den richtigen Schlüssel an Eulmanns Bund ausgemacht und schloss auf. Der enge Raum war in frischem Weiß gekalkt, den gesamten verfügbaren Platz hatte man für Holzregale genutzt,die bis zur Decke hoch reichten. Dort hineingestopft lag ein Sammelsurium von Gegenständen, das in mir die Vorstellung eines Dritte-Welt-Andenkenladens erweckte. Steinbrocken, Masken, gefiederte Totemgestalten, holzgeschnitzte Figuren. An einem Querholm hing ein Traumfänger, ein Holzring, in dem ein zartes Netz aufgespannt war. Etwas ratlos sah ich mich um. Auf einem Tischchen stand ein Karteikasten. Daneben lagen ein Konvolut von Papieren, das von einem Gummiband zusammengehalten wurde, eine Kladde mit schwarz marmoriertem Umschlag und obenauf eine Pistole, die in einem braunen Halfter steckte. In ihren Kolben war ein Stern eingraviert.
Ein plötzlicher Luftzug ließ den Traumfänger hin und her pendeln. Ich machte auf dem Absatz kehrt, um rasch den Raum zu verlassen. Gerade noch rechtzeitig hatte ich ihn wieder verschlossen, da stand Eulmann schon hinter mir. Mit einer Handbewegung forderte er seinen Schlüsselbund ein.
Wir sprachen nie über den Vorfall, aber zwei Wochen später führte er mich ungefragt in den Raum. Ich sah sofort, dass er aufgeräumter war. Vor allem waren die Kladde und der Revolver verschwunden.
– Der Raum hier ist eine Art Asservatenkammer, sagte Eulmann. Alle Stücke tragen eine Nummer, zu der du hier in dieser Handkartei einen Brief, eine Karte oder sonst etwas Handschriftliches findest.
Ich verstand überhaupt nichts.
– Mitbringsel aus aller Welt sind hier gesammelt.
Er nahm eine geschnitzte Maske aus schwarzem Holz aus dem Regal. Die Fratze eines Buschgeistes.
– Aus Afrika.
Er zeigte mir eine Totemfigur, eine Puppe aus Stroh und Stoff, wie sie zu Voodoozeremonien verwendet wurde.
– Aus Brasilien.
Dann tippte er auf einen von mehreren Steinbrocken, die aufgereiht standen.
– Aus Australien vom Ayers Rock. Der Stein hier ist ein gutes Beispiel. Reisende sollten eigentlich wissen, dass die Aborigines den Uluru als Heiligtum betrachten. Man ist dringlich gehalten, die heiligen Stätten zu meiden.
Eulmann zuckte die Achseln.
– Trotzdem klauben die Touristen dort irgendwelche Brocken als Andenken auf.
Er zog einen Brief aus dem Karteikasten und reichte ihn mir.
– Dann passiert so etwas. Lies das mal.
Ich überflog das Schreiben, es klang wie ein Hilferuf. Ein Ehepaar war auf Urlaub in Australien gewesen und hatte vom Ayers Rock einen Stein im Gepäck mit nach Hause geschmuggelt. Dort lag er unbeachtet im Schrank bei den Urlaubsdias. Dann aber wurde die Familie, wenn man der Briefschreiberin Glauben schenken durfte, in eine Unglücksserie verstrickt. Die Schwiegermutter erlitt einen Schlaganfall und das Kind bekam Drüsenfieber. Als sich ihr Mann dann das Bein brach, mochte sie an keinen Zufall mehr glauben. Man bestrafte sie. Zum ersten Mal kam ihr in den Sinn, der Steinbrocken vom Uluru könnte dafür verantwortlich sein. Sie holte sich bei einem Priester Rat. Der schalt sie und bezeichnete ihre Ängste als Aberglauben. Das seelsorgerliche Gespräch verschaffte ihr nur kurzzeitig Erleichterung. Die Verbindung mit dem Steinbrocken war hergestellt und ließ sich durch keine Rückbesinnung mehr kappen. Natürlich durfte man aus religiösen Gründen nicht an einen Fluch glauben. Aber ein heiliger Stein wirkte möglicherweise auch ohne den Glauben an seine Macht. Jedenfalls reifte in der Frau der feste Entschluss, sich dieses Brockens zu entledigen. Aber wie? Ihn wegzuwerfen, zu zerkleinern oder zu vergraben verbot sich von selbst: Die falsche Behandlung würde womöglich alles nur noch schlimmermachen. Sie bitte daher inständig darum, so schrieb die Frau, das Stück anzunehmen, angemessen zu verwahren und so den Bann zu brechen.
Ich blickte auf.
– Verstehst du jetzt, fragte Eulmann.
Ich nickte.
– Solche Objekte lagere ich hier ein.
8.
Lösungen wie die einer Asservatenkammer waren typisch für Eulmann. Ob er an Totems, Amulette oder Magie glaubte, bekam man nicht heraus. Er behandelte diese Sendungen mit Respekt, der ihm jedoch, wie mir schien, nicht den mit ihnen verknüpften Glauben abverlangte. Selbst Reaktionen, die mir zunächst unverständlich vorkamen, entsprangen bei ihm nie nur einer
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