Der Tod des Landeshauptmanns
einem grün-goldenen Schild, das von einer Art Galgen über dem Gehsteig hing. Wie die meisten Gebäude in dieser Gegend war auch das Restaurant ein auf historisch getrimmter Ziegelbau. Es kam ihnen gelegen, dass drinnen viele der kleinen Marmortische unbesetzt waren, die soliden Holzstühle waren blau und grün, hellbraun und dunkelbraun gestrichen. Sie ließen sich von der attraktiven Kellnerin (David hob anerkennend die rechte Augenbraue und blickte Peter kurz an, doch der blieb regungslos) in die hintere Ecke führen, David nahm Platz an der Wand. Er blickte sich sorgfältig um, niemand war in ihrer Nähe, nur am Fenster – aber mindestens sieben Tische entfernt – saß ein junges Pärchen, das ganz offensichtlich nur Augen füreinander hatte.
Noch ehe sie die Speisekarte studiert hatten, legte David los. Er musste Peter nicht im Detail erklären, wer dieser österreichische Jörg Haider war, um den es ging. Peter war in der CIA in jener Abteilung tätig, die sich auf Mitteleuropa konzentrierte (Europa war in der Central Intelligence Agency in mehrere Blöcke aufgeteilt, Peters Bereich umfasste Deutschland, Österreich, Liechtenstein, die Tschechische Republik und die Slowakei). Doch David wollte Peter auch in sein persönliches Interesse an diesem Fall einweihen. Und so erzählte er ihm von seinem Großvater, der ihm, viele Jahre nach der letzten gemeinsamen Wien-Reise, kurz vor seinem Tod ein altes Tagebuch gezeigt hatte, in dem er den Namen Robert Haider vermerkt hatte. Das war jener Kriegsgefangene, den Joshua Krimnick während seiner Tätigkeit in Österreich verhört hatte, und dessen 45. Infanteriedivision an abscheulichen Verbrechen in Russland beteiligt gewesen war. David war damals schon beim FBI und Großvater hatte ihn gebeten herauszufinden, ob es einen Zusammenhang gab zwischen dem Jörg Haider, von dem in letzter Zeit so viel in amerikanischen Zeitungen zu lesen war, und jenem Robert Haider, den er persönlich getroffen hatte.
Genau in diesem Augenblick kam die Kellnerin wieder an den Tisch. Während Peter die Bestellung aufgab, musterte sie David genauer: Unter ihrer weißen Bluse, zu der sie eine hellblaue Krawatte trug, waren zwei deutliche Erhebungen zu erkennen, die sofort Davids Fantasie – und noch mehr – anregten. Doch viel Zeit für erotische Vorstellungen blieb nicht, er bestellte ebenfalls eine Pizza („Quattro Stagione“) und schon hatte sie ihm den Rücken zugekehrt.
„Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, mein Großvater und Robert Haider.“ Und David schilderte, wie er mit Hilfe der amerikanischen Botschaft in Wien rasch herausgefunden hatte, dass Robert und Jörg Vater und Sohn waren. „Das heißt natürlich noch gar nichts“, sagte David und blickte nach links und nach rechts, nur um sicherzugehen, dass sich niemand in ihre Nähe gesetzt hatte, „es gibt genug Söhne, die sich vom ideologischen Gedankengut ihrer Väter völlig distanziert haben.“ Doch bei Jörg Haider, so fuhr David fort, war es eben nicht so, jedenfalls hatte er vom Ausspruch über die „ordentliche Beschäftigungspolitik der Nazis“, über die Treffen der ehemaligen Teilnehmer am Zweiten Weltkrieg bis hin zu seinen guten Beziehungen zu rechtsgerichteten Parteien in Europa immer durchblicken lassen, dass sein Vater offensichtlich einiges an seinen Sohn übertragen hatte. Noch etwas wollte David loswerden: „Du wirst es nicht glauben, aber ich habe ihn persönlich kennengelernt.“ Und er erzählte von Haiders Besuch in Washington vor ein paar Jahren. Damals habe er als ganz junger FBI-Agent wegen seiner wenn auch wenig entwickelten Deutsch-Kenntnisse den Besucher bei seinen Auftritten begleitet. Haider hatte einen Vortrag gehalten und dabei Österreich als „unterentwickelte Demokratie“ bezeichnet, das habe damals in seiner Heimat scharfe Reaktionen ausgelöst. „Aber er war mir nicht unsympathisch, ich muss es gestehen, er lud uns – wir waren zu dritt auf ihn angesetzt – zum Mittagessen ein. Und obwohl er mit bedeutenden Persönlichkeiten an einem anderen Tisch saß, stand er während des Essens einmal auf und setzte sich zu uns – vielleicht auch, weil wir die einzigen Jungen in diesem Raum waren.“
Danach hatte David viel über Haider nachgelesen und Peter war sowieso auf dem Laufenden. Sein Stationschef in Wien übermittelte regelmäßig Informationen über die seltsamen Begegnungen Haiders mit Führern des französischen Front National, des belgischen Vlaams Blok oder der Lega
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