Der Tod des Landeshauptmanns
sind.“ „Ich weiß, was du meinst“, antwortete Peter, „im Inland ist das FBI dran, im Ausland der CIA – aber was, wenn es sich, wie bei uns, um einen Ausländer handelt?“ Weil er darauf selbst keine Antwort wusste, schlug Peter vor, einen Termin mit Robert Macquire, dem Direktor des National Clandestine Service, zu vereinbaren.
Kriminalkommissar Franz Bugelnik saß da mit geschlossenen Augen. So konnte er seine Gedanken am besten sammeln: Früher waren ihm die besten Einfälle immer dann gekommen, wenn er sich in eine Art Trance versetzte, und das ging nur, wenn er die Augen schloss. Doch jetzt konnte er sich keinen Reim auf das machen, was er eben auf dem Computerbildschirm gesehen hatte. Kropfitsch hatte ihn am Telefon also angelogen: Kein Word hatte er davon gesagt, dass er selbst im Haus Stefan Straggers gewesen war, kein Wort auch davon, dass der Tote nicht Stefan, sondern dessen Bruder war. Was steckte dahinter? Kropfitsch musste viel mehr wissen, dachte Bugelnik, aber er verheimlichte es.
Bugelnik beschloss, wieder zum Haus am Wörthersee zu fahren und mit den Nachbarn zu sprechen. Es war ein strahlender Herbsttag, statt die Autobahn zu nehmen, blieb der Kommissar auf der Bundesstraße, fuhr vorbei am Minimundus – der kleinen Welt am Wörthersee – viel mehr als den Eiffelturm sah er nicht, alles andere war hinter Büschen und Bäumen versteckt. An der Abzweigung zum Strandbad überlegte er kurz, ob er den Wagen dort parken und einen kleinen, kontemplativen Spaziergang am Ufer machen sollte, entschied sich dann aber doch dagegen. Wenige Minuten später erreichte er Stefan Straggers Haus. Er stellte den Wagen in der Einfahrt ab und blickte sich um. Gegenüber standen einige Gebäude, doch er war nicht sicher, dass sie um diese herbstliche Jahreszeit bewohnt waren. Die meisten Häuser in direkter Nähe zum Ufer waren Zweitwohnsitze oder Ferienwohnungen, die Chance war gering, dass da jemand öffnen würde. Bugelnik ging auf die andere Straßenseite und läutete bei Hausnummer 6. Einmal, zweimal – er wartete, keine Reaktion. Das Nebenhaus war etwas größer, es machte eher den Eindruck, als wäre es ganzjährig bewohnt. Als er dort auf die Klingel drückte – auf dem Schild daneben war der Name Schindler eingraviert –, dauerte es nur wenige Sekunden und die Haustür öffnete sich. Wahrscheinlich hat man mich durch das Fenster beobachtet, dachte Bugelnik, ein gutes Zeichen, den Menschen hier fällt offenbar auf, wenn Fremde auftauchen. Die Dame, die die Haustür einen Spalt weit öffnete (vorsichtig sind sie auch, schoss es Bugelnik durch den Kopf), war etwa 45 Jahre alt, durchaus elegant gekleidet, zumindest für jemanden, der den Nachmittag in seinem Haus verbrachte. Bugelnik stellte sich vor, zeigte seinen Ausweis und wurde eingelassen.
Noch im Vorzimmer überfiel sie ihn mit der Frage, ob der Nachbar wirklich tot sei. Dazu könne er jetzt nichts sagen, versuchte er sie zu beruhigen, aber er sei natürlich wegen des Vorfalls (zu viel wollte er nicht verraten, er dachte, mit „Vorfall“ würde er seine Verschwiegenheitspflicht nicht verletzen) im Haus Stefan Straggers gekommen: Ob sie ihm schildern könne, was sie gestern gesehen habe, wenn sie überhaupt zuhause gewesen sei. „Ja, ich war da“, begann sie und erzählte, wie in der Nacht („es war sicher schon nach 22 Uhr, weil ich mir im Fernsehen ‚Was gibt es Neues‘ angesehen habe – wissen Sie, ich liebe den Oliver – wie heißt er nur? Brauer oder so …“), wie also in der Nacht ein Fahrzeug knapp vor der Einfahrt parkte. Und während sie durch den leicht weggeschobenen Vorhang blickte, sah sie im gegenüberliegenden Haus, wie Stefan Stragger in einem Zimmer das gleiche tat: nämlich auch, nur eine Sekunde lang, hinter dem Vorhang auf die Straße schauen. „Sie müssen wissen, Herr Inspektor, ich bin ein richtiger Krimifan, ich schau’ mir jeden ‚Tatort‘ an, und weil mein Mann ja auch im Haus war, auch wenn er schon geschlafen hat, hatte ich auch keine Angst …“
„Was haben Sie dann gesehen?“, unterbrach sie Bugelnik, schon etwas ungeduldig. „Zwei oder drei Minuten später ist ein Mann aus dem fremden Auto gestiegen, hat sich am Zaun entlanggeschlichen, wissen Sie, so in gebückter Haltung“, und als müsste sie dem Kommissar das noch deutlicher machen, ging sie in die Knie und streifte an der Wand entlang, in dem sie den Kopf und die Augen ständig nach vorne und zur Seite drehte, „und dann ist er zur
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