Der Tod des Landeshauptmanns
hatte, nur noch von hinten zu sehen. Er war in Begleitung, ein fröhliches, etwas zu lautes Lachen drang an Davids Ohr. Die drei waren bei einer Reihe italienischer Anzüge stehen geblieben, David senkte den Kopf und pirschte sich langsam hinter einen Krawattenständer, der ihm Schutz bot. Dann blickte er kurz hinter seinem Versteck hervor und traute seinen Augen nicht: Da stand tatsächlich Jörg Haider, nur wenige Schritte von ihm entfernt.
Das dicke, weiche Kissen reichte als Schallschutz nicht aus: Jasmin Köpperl versuchte, ihren Kopf ganz tief darin zu vergraben, aber es nützte nichts. Sie hatte auf ihrem Handy den Klingelton mit ansteigender Lautstärke eingestellt, und das machte sich jetzt übel bemerkbar. Sie fummelte mit ihrer rechten Hand auf dem Nachtkästchen, bis sie ihr Gerät ertastet hatte. 7.48 Uhr stand auf der digitalen Anzeige, als Anrufer erschien ein „Unbekannt“ am Display. Sie überlegte: Eigentlich hatte sie sich fest vorgenommen, keine Gespräche anzunehmen, deren Teilnehmer sich nicht zu erkennen gaben, doch nach all dem, was in den vergangenen Tagen passiert war, hielt sie es für vernünftiger abzuheben. „Hallo?“ Ihre Stimme klang, als hätte sie schon drei Tage wegen schwerer Verkühlung kein Wort gesprochen. Sie räusperte sich und fragte: „Wer spricht?“ „Frau Köpperl?“ tönte es aus der Leitung. „Hier ist Georg Kropfitsch, entschuldigen Sie, dass ich Sie so früh störe. Aber ich wollte sichergehen, dass ich Sie noch erreiche, bevor Sie das Haus verlassen.“ Jasmin war nicht wirklich überrascht: Irgendwann, das war ihr klar, würde sich Stefans Kollege auch bei ihr melden. Nun wollte er sich mit ihr treffen, so bald wie möglich, und er schlug auch gleich einen Ort vor: an der Seepromenade am Wörthersee.
Jasmin stellte ihren Wagen auf dem Parkplatz vor dem Strandbad ab – viel war nicht los um diese Jahreszeit, und schon gar nicht so früh am Morgen. Ein leichter herbstlicher Dunst lag über dem Wasser, kein Boot störte die Stille. Sie überquerte die Straße und ging auf den Kiesweg zu, der direkt am Wasser entlangführte. Ein Blick nach links und rechts, doch niemand war zu sehen, lediglich ein paar Schwäne stritten sich lautstark über ein aufgeweichtes Stück Brot. Sie sah auch nicht den Mann, den Kommissar Bugelnik zu ihrer Bewachung abgestellt hatte und der ihr vorsichtig folgte, indem er sich von einem Baumstamm zum anderen schlich. Er selbst hatte keine Ahnung, was Jasmin hier zu tun hatte, aber sein Gespür sagte ihm, dass sie wohl jemanden treffen würde – also hieß es, doppelt vor- und umsichtig zu sein. Doch auch Kropfitsch war auf der Hut: Er hatte zwei Mitarbeiter, die auf Überwachung spezialisiert waren, zum Treffpunkt geschickt und ihnen aufgetragen, nach einem verdächtigen Mann Ausschau zu halten, der wiederum Jasmin Köpperl im Auge haben würde. Die beiden HNA-Spezialisten hatten eine leichte Aufgabe: Sie erkannten ihren Mann sofort, er war – mit Ausnahme eines Hundehalters, der seine Promenadenmischung auf eben einer solchen Promenade spazieren führte – der einzige weit und breit in Seeufer-Nähe. Als sie nahe genug an ihn herangekommen waren und er – seinen Blick nach vorne auf Jasmin gerichtet – sich gerade wieder einmal hinter einer Linde versteckte, griffen sie zu: Ein kräftiger Schlag ins Genick und er brach lautlos zusammen. Jasmin hatte nichts davon wahrgenommen, umso weniger, als sie sich auf einen Herrn in einem schwarzen Filzmantel konzentrierte, der vom Restaurant „Villa Lido“ auf sie zukam. „Frau Köpperl, danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben.“ Georg Kropfitsch war ausnehmend höflich, er streckte seine Hand aus und verbeugte sich – tiefer, als sie das von irgendeinem anderen Mann gewohnt war. „Ich habe nachgefragt, im Lido servieren sie auch Frühstück, wenn es Ihnen nicht zu kalt ist, können wir uns auf die Terrasse setzen.“
Kropfitsch kam gleich zur Sache: „Ich bin mindestens so interessiert daran wie Sie, Herrn Stragger zu finden. Nicht, weil er einer unserer besten Kollegen ist, das allein wäre schon ein starkes Motiv – mir geht es um den Menschen Stefan Stragger.“ Schon als sie das Telefongespräch beendet hatte, ahnte Jasmin, dass Kropfitsch sie über den Verbleib von Stefan befragen würde – und sie hatte sich genau zurechtgelegt, wie sie darauf antworten würde, nämlich mit einer Gegenfrage. Jasmin holte tief Luft: „Haben Sie mir die zwei Männer an den Hals
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