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Der Tod des Landeshauptmanns

Der Tod des Landeshauptmanns

Titel: Der Tod des Landeshauptmanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eugen Freund
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geschickt, die mich gefesselt, entführt und geschlagen haben? Die mich in den Kofferraum eines Autos gesteckt haben wie einen Müllsack und mich in einem dunklen Raum festgehalten haben? Waren Sie das?“ Am Ende der Frage war ihre Stimme schon so laut, dass selbst der Kellner, der hinter der offenen Glastür im Restaurant stand, mitten im Reinigen der Theke innehielt und hinaus auf die Terrasse blickte. „Frau Köpperl, bitte!“ Georg Kropfitsch wollte seine Hand beruhigend auf den Arm von Jasmin legen, aber sie zog ihn rasch zurück. „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Warum sollte ich Sie denn entführen lassen?“ „Weil mir die zwei Verbrecher“, Jasmin hatte sich fest vorgenommen, diesen Ausdruck zu verwenden, auch, oder gerade wenn sie im Auftrag des HNA gehandelt hatten, „die gleiche Frage gestellt haben wie Sie eben!“ Kropfitsch lehnte sich im Sessel zurück, blickte über den See und fixierte mit seinen Augen den Aussichtsturm auf dem Pyramidenkogel. „Ruhig bleiben“, sagte er sich, „ganz ruhig.“ „Wenn Sie wollen, kann ich ein paar Leute abstellen, die diesen Vorfall untersuchen, aber ich versichere Ihnen, ich habe damit nichts zu tun.“ Jasmin glaubte ihren Ohren nicht zu trauen: Dieser Mann wagte es, Hilfe in einer Sache anzubieten, in der er – und davon war sie hundertprozentig überzeugt – selbst die Finger im Spiel hatte. Sie nahm ihre Handtasche und deutete an, dass sie aufstehen wollte. Kropfitsch ließ das nicht zu: Er fasste sie am Oberarm und drückte sie mit einem festen Griff zurück in ihren Stuhl.
    „Kommen Sie“, sagte er mit energischer Stimme, „lassen Sie uns vernünftig miteinander reden.“ Kropfitsch wollte mit allen Mitteln aus ihr herauslocken, wo sich Stefan versteckt halten könnte. Natürlich hatte er sich überlegt, dass sie ihn schon aufgesucht hätte, wenn sie seinen Aufenthaltsort wüsste. Doch ihre Aufpasser hatten nichts von einer Fahrt außerhalb von Klagenfurt mitbekommen – und Kropfitsch war sich einigermaßen sicher, dass Stefan Stragger nicht in der Stadt geblieben war. „Es ist in Ihrem beiderseitigen Interesse, dass Sie mir helfen“, sagte er in einem Tonfall, der wie eine Mischung aus Drohung und väterlicher Sorge klang. „Wir müssen Stefan schützen, ich sage es noch einmal, er ist in großer Gefahr.“ Jasmin holte ihre dunkle Brille aus der Handtasche, die Sonne stand mittlerweile über den Bäumen der Strandbad-Wiese, sodass sie Kropfitsch nur mehr als Schattenriss wahrnahm. „Glauben Sie mir, ich hätte selbst schon längst nachgesehen, wenn ich wüsste, wo ich beginnen sollte“, erwiderte Jasmin, und ihre Stimme klang tränenerstickt, zum Glück, dachte sie, kann er mir jetzt nicht mehr in die Augen blicken. „Aber es muss doch irgendeinen Ort geben, den Sie vielleicht einmal gemeinsam besucht haben, der irgendwie mit Ihrer oder seiner Familie im Zusammenhang steht!“ Kropfitsch wurde ungeduldig, er hatte den Eindruck, keinen Zentimeter weiterzukommen. „Was meinen Sie? Die Eltern? Meine oder seine? Die haben wir …“ Kropfitsch unterbrach sie: „Nein, das meine ich nicht, dort haben wir uns schon erkundigt, dort ist er nicht!“ Dann zog er plötzlich ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner Sakkotasche und breitete es vor ihr auf dem Tisch aus: „Schauen Sie sich das an, sagt Ihnen das irgendetwas?“ Jasmin blickte auf eine Ansammlung von Strichen, auf die sie sich beim ersten Hinschauen absolut keinen Reim machen konnte. Das Ganze kam ihr vor wie eine Kinderzeichnung: mit Bleistift gezogene Linien, die ziemlich ziellos kreuz und quer über die ganze Seite verliefen. Nur ein Objekt, wenn es denn ein solches war, kam ihr bekannt vor – es sah dem Doppelturm einer Kirche ähnlich. Und das einzige Gebäude in dieser Form, das sie schon mehrmals gesehen hatte, war die Wehrkirche in Diex. „Wo haben Sie das her?“, fragte sie, ohne preiszugeben, dass sie nahe dran war, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden. „Das geht Sie nichts an“, erwiderte Kropfitsch viel zu unwirsch, um gleich zu erkennen, dass er auf diese Art sicher nichts herausfinden würde. „Entschuldigen Sie, ich habe das nicht so gemeint. Hier“, und er zeigte mit dem Finger genau auf den Doppelturm, „das könnte doch ein sakrales Gebäude sein, es sieht am ehesten wie eine Kirche aus, meinen Sie nicht auch?“ Jasmin sah sich ein wenig in die Enge getrieben, gleichzeitig schien es ihr nicht verräterisch, zuzugeben, dass er recht

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