Der Tod des Maerchenprinzen
endlich wie Schuppen von den Augen gefallen ist, daß ich die richtige Frau für ihn bin. Aber statt dessen kommt er nach dem Fußball mal eben kurz hier vorbei, unterhält sich ein bißchen mit mir, ist müde vom Fußball. Ich bin auch müde, weil ich drei Tage krank war. Wir schlafen beide eine Stunde, gucken noch zusammen Tagesschau, und dann geht Arne. Sagt noch, er möchte das Manuskript noch mal ohne Zeitdruck lesen, wenn es ganz fertig ist. Und dann ist er weg.
Arne ist weg, und ich bin unruhig. Brauche wieder einmal ein, zwei Tage, um mich wieder zu beruhigen. Aber nach zwei Tagen bin ich dann auch wieder ganz ruhig. Habe nicht mehr den Drang, nach Altona zu fahren. Wie früher. Ich bin zwar immer noch nicht mit Arne fertig, aber ich habe hier zu tun. Ich schreibe mein Buch. Ich habe gar keine Zeit, da jetzt hinzufahren.
Zeit? Hatte ich denn früher Zeit? Ich habe mir doch jetzt diese Woche jeden Abend was vorgenommen. Und die freien Abende sitze ich an der Schreibmaschine. Wenn ich wollte, könnte ich nach Altona fahren. Liegt es an der Zeit, wenn meine Fahrten nach Altona immer seltener werden? Vor zwei Monaten bin ich auch an Abenden, die ich mir eigentlich zum Schreiben reserviert hatte, plötzlich hingefahren. War mir Arne wichtiger als das Buch.
Und plötzlich sage ich, ich habe keine Zeit, nach Altona zu fahren, weil mein Buch fertig werden muß. Mir ist mein Buch wichtiger geworden als Arne.
Und plötzlich sind es auch zwei vollkommen verschiedene Dinge: Mein Buch und meine Beziehung zu Arne. Mein Buch ist meine politische Arbeit. Meine Beziehung zu Arne ist meine Beziehung zu Arne. Das sind zwei Paar verschiedene Schuhe. Und die einen ziehe ich immer seltener an.
Ich lebe allein. Und ich schreibe ein Buch. Ich schreibe ein Buch, um anderen Frauen Mut zu machen. Mut, in dieser Welt mit Männern zu leben, statt zu überleben. Mit Männern oder gegen Männer, vielleicht ganz ohne Männer, oder aber auch trotz Männern. Ich will Mut machen, indem ich zeige, daß unsere privaten Probleme nicht unsere privaten Probleme sind. Ich selber habe mich jahrelang mit diesen «privaten» Problemen alleine rumgeplagt. Bis ich in Frauengruppen und in Gesprächen mit Frauen überhaupt festgestellt habe, daß es den anderen genauso geht. Daß es leichter ist, meine Probleme zu lösen, wenn ich mit anderen darüber rede, die die gleichen Probleme haben. Und dabei habe ich Mut gewonnen. Mut, auch meine intimsten Probleme anderen zu offenbaren. Habe gelernt, daß mir das nicht schaden kann, wenn andere solidarisch mit diesen Informationen über mich umgehen. Daß es mir immer wieder geholfen hat, andere zu Rate zu ziehen. Und selbst wenn andere meine Offenheit ausnutzen: Dann verhalten die sich übel. Nicht ich. Mir ist nichts mehr peinlich. Ich habe keine Geheimnisse mehr. Ich hätte Sylvia nicht zu sagen brauchen, daß ich eifersüchtig auf sie bin. Hätte ich nicht tun brauchen. Ich brauche meine Schwächen und verwundbaren Stellen nicht einer Frau zu zeigen, die ich eine Stunde kenne. Ich hätte nach Hause gehen können und im stillen Kämmerlein alleine darüber nachdenken können. Aber was hätte mir das gebracht? Hätte mich das nicht viel verwundbarer gemacht?
Ich habe auch gelernt, daß es Männer gibt, die mich in meinem Kampf um Gleichberechtigung unterstützen. Daß ich mit meinen Problemen manchmal auch zu Männern gehen kann. Aber ich habe auch gelernt, daß ich in vielen Situationen erst mal mit Frauen reden muß. Daß Frauen mich besser verstehen, weil sie oft das gleiche erlebt haben. Daß ich in vielen Situationen nur von Frauen Unterstützung bekommen kann, weil Männer vor ihrem Erfahrungshorizont gar nicht begreifen können, was ich ihnen sagen will. Daß es noch sehr lange dauern wird, bis Frauen und Männer wirklich die gleiche Sprache sprechen werden. Und daß wir da nur Schritt für Schritt hinkommen. Und bis wir da sind, werde ich immer wieder das Bedürfnis haben, mich unter Menschen aufzuhalten, die meine Sprache sprechen. Und das sind Frauen. Manchmal zweifle ich daran, daß es überhaupt mal eine gemeinsame Sprache geben wird. Daß Männer überhaupt eines Tages begreifen werden, wie sie sich uns gegenüber tagtäglich verhalten. Du diskutierst hundertmal dasselbe, und sie machen es doch immer wieder. Manchmal ist es so traurig, daß frau da schon wieder drüber lachen kann.
utopie
dieses bittere lachen
über die ignoranz
und dummheit
der männer befreit
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