Der Tod des Staatsanwalts (German Edition)
Briefkästen überblicken. Vor lauter Nervosität merkte er nicht einmal, wie die Asche zwischen seine Oberschenkel fiel. Nur wenige Augenblicke später trat ein circa sechzig Jahre alter Mann vor die Haustür. Lediglich mit Jogginghose und T-Shirt bekleidet, waren die Tätowierungen an seinen Armen nicht zu übersehen. Sein Blick glitt suchend über das Gelände, bevor er mit einem Schlüssel seinen Postkasten öffnete und den Umschlag daraus entnahm. Scheinbar gelangweilt riss er ihn auf und überflog die wenigen Zeilen, um dann in Richtung Mülltonnen zu marschieren und das Kuvert in aller Seelenruhe darin zu entsorgen. Das Schreiben selber faltete er sorgsam zusammen und steckte es sich in den Hosenbund. Anschließend schlenderte er betont lässig an den parkenden Autos vorbei.
Ich verdammter Idiot. Wieso musste ich auch warten, bis das Arschloch aus dem Haus rauskommt. Warum bin ich nicht gleich wieder abgedampft. Jetzt ist es zu spät. Scheiße, scheiße, scheiße. … Überhastet warf der Mann im Auto seine glühende Zigarette aus dem Seitenfenster und versuchte sich hinter dem Lenkrad so klein wie möglich zu machen. Schweiß brach aus all seinen Poren und er verfluchte jenen Augenblick des gestrigen Abends, als er glaubte, die beste Idee seines ganzen Lebens in die Tat umsetzen zu können. Nur ein kleiner Erpressungsversuch und er wäre alle Schulden los.
Der Empfänger des Briefes
Er hatte zufällig am Fenster gestanden, als der silbergraue Touran auf das Gelände des Kastanienplatzes fuhr. Aufgrund des gestrigen Vorfalls und seines ausgeprägten, gesunden Misstrauens, warf er häufiger als gewöhnlich einen Blick aus dem Küchenfenster. Ausgesprochen günstig, vom dritten Stock aus den Eingangsbereich und einen Großteil des großzügig angelegten Wohnparks überblicken zu können, ohne selber gesehen zu werden. Seine Befürchtung, die Bullen wären durch irgendeinen dummen Zufall auf ihn aufmerksam geworden, schien sich zum Glück bislang nicht bestätigt zu haben. Argwöhnisch beobachtete er den Mann, der mit einem Briefumschlag in der Hand auf das Achtfamilienhaus zusteuerte, in dem er vor einiger Zeit eine Zweizimmerwohnung bezogen hatte. Der Typ verhielt sich viel zu auffällig, als dass er ein Schnüffler sein könnte. Niemand aus seiner Vergangenheit wusste über seinen jetzigen Aufenthaltsort Bescheid. Auch sein äußeres Erscheinungsbild war nicht mehr das von damals. Seine Verbitterung und sein Hass hinterließen nicht nur innere Spuren, sondern wirkten sich auch auf seine Gesichtszüge aus. Das ehemals lange, schwarze Haar, war einem schmutzigen Grauton gewichen und wurde auf ein Minimum gekürzt. Der einst klare Blick seiner stahlgrauen Augen war von Unnachgiebigkeit und Härte geprägt. Die schmalen Lippen von Verbissenheit gezeichnet. Mit Erstaunen registrierte er, dass es sein Briefkasten war, den der Fremde für seine Zwecke auserkoren hatte. Als im nächsten Moment auch noch die Klingel ertönte, ahnte er bereits, dass nicht alles so problemlos verlaufen würde, wie es seinem Wunschdenken entsprach.
Im Büro der Oberkommissarin
„ Also, Leute. Es ist mittlerweile schon nach neunzehn Uhr. Ich würde sagen, wir machen für heute Feierabend.“ Gähnend reckte sich Daja Cornelius und klopfte ihrem jüngeren Kollegen Lasse Beerens auf die Schulter. „Wir haben mehr erreicht, als ich jemals für möglich gehalten hätte.“ Die Singlefrau verspürte Sehnsucht nach etwas Ruhe und einem anspruchslosen Fernsehprogramm.
„ Morgen ist auch noch ein Tag.“, ergänzte Norman Nessel und machte Anstalten, die letzte der sieben Akten zuzuklappen. „Auf geht’s. Wer hat noch Lust auf ein Bier?“ Fragend sah er in die kleine Runde.
„ Ich möchte lieber direkt nach Hause und ein erfrischendes Bad nehmen.“, erwiderte seine Kollegin und zog sich die Jacke über.
„ Wie sieht es mit dir aus, Lasse?
„ Ich komme noch mit, aber nur auf eins.“ Augenzwinkernd erhob er sich von seinem Schreibtischstuhl und folgte dem Älteren.
Mittwoch, 31. Oktober 2013, 08.00 Uhr
Kriminalkommissar Lasse Beerens war der erste in der Amtsstube, obgleich es am Abend zuvor nicht bei dem einen Bier geblieben war. Er füllte gerade Wasser in die Kaffeemaschine, als das Telefon klingelte.
Oh, was ist denn das für ein nervenraubendes Geräusch? Ausgerechnet jetzt, wo ich ohnehin schon Kopfschmerzen habe. Hoffentlich kommt Daja gleich, damit ich sie nach einer Schmerztablette fragen kann. Sichtlich
Weitere Kostenlose Bücher