Der Tod des Staatsanwalts (German Edition)
verspürte Daja Cornelius eine gewisse Enttäuschung, aber andererseits bekräftigte es ihren Verdacht, dass Tarek Baberg sie mit seiner Aussage täuschen wollte, um selber freie Hand zu haben. Für was auch immer. Als nächstes gedachte sie ihren Vorgesetzten mit ihrer Vermutung zu konfrontieren. Er sollte beim Staatsanwalt eine Beschlagnahme des privaten, wie auch dienstlichen Computers des Verstorbenen beantragen. Je mehr sie darüber grübelte, desto mehr bestätigte sich ihr ungutes Gefühl, in Baberg einen miesen, kleinen Erpresser übersehen zu haben. So ein Mist aber auch. Der könnte noch leben, wenn er nicht so kopflos gehandelt hätte. Man legt sich doch nicht mit einem offensichtlich routinierten Verbrecher an, der hemmungslos den einzigen Zeugen aus dem Weg räumt. Die arme Frau und das arme Baby, es muss jetzt ohne Vater aufwachsen. Oh Gott, die Benachrichtigung steht mir ja auch noch bevor. Das muss ich unverzüglich erledigen, sobald ich mit KHK Klaus Glatzmeiser gesprochen habe. Rein mechanisch griff sie nach ihrer Jacke und dem Rucksack, um das Büro zu verlassen.
Die Nachricht vom Tode ihres Ehemannes war für Lina Baberg ein schwerer Schlag. Völlig aufgelöst schien sie von einem Nervenzusammenbruch nicht weit entfernt zu sein. Daja Cornelius hatte vorsichtshalber einen Arzt hinzu gerufen, der ihr eine Beruhigungsspritze verabreichte. Desweiteren erklärte ihre Mutter sich bereit, die nächsten Tage bei ihrer Tochter und dem Enkelkind zu verbringen. Von ihr erfuhr die Oberkommissarin auch von einem enormen Schuldenberg, den das junge Paar sich durch den Kauf der Immobilie aufgehalst hatte. Mit Erlaubnis von Lina Baberg, durfte Daja Cornelius den Laptop des Verstorbenen gleich mit zur Dienststelle nehmen.
Wieder zurück auf dem Kriminalkommissariat, war ihr Schreibtisch mit einem riesigen Stapel Papier bestückt, bei dem es sich um die Ausdrucke des Straßenverkehrsamtes handelte. Da sie das Ergebnis bezüglich des weißen Passats bereits kannte, widmete sie sich unverzüglich dem oberen Paket, welches die dunklen Golfs beinhaltete. Insgesamt dreihundert Fahrzeuge diesen Typ mit Gössinger Kennzeichen kamen infrage. Wenn sie nur die Schwarzen in Betracht zog, waren es am Ende nur noch hundertdreißig. Einer Eingebung Folge leistend, erhob sie sich hastig von ihrem Stuhl und machte sich am Schreibtisch ihres Kollegen zu schaffen, auf dem die Akten der beiden noch zu überprüfenden Strafgefangenen lagen. Neugierig schlug sie die erste auf. Bei dem Täter handelte es sich um einen fünfunddreißigjährigen Einbrecher, der auf seiner Flucht den Hausbesitzer und einen Polizeibeamten erschossen hatte. Er saß noch immer in der Justizvollzugsanstalt Gössingen ein und sein letzter Urlaub lag bereits vier Wochen zurück. Auch der Straftäter aus der zweiten Akte verbüßte anhaltend eine mehrjährige Freiheitsstrafe, befand sich aber aufgrund einer Hirnblutung vorübergehend stationär in der Universitätsklinik Gössingen. Auch er kam als Täter der letzten Tage nicht infrage.
Seufzend schloss sie die Akte und widmete sich enttäuscht einer weiteren. Jener Aussortierten, deren Delinquent bereits vor einem Jahr, nach Zweidrittelhaft, wegen guter Führung vorzeitig entlassen wurde. Beinahe gelangweilt blätterte sie darin herum und betrachtete das Lichtbild eines etwa fünfzig bis sechzigjährigen Mannes, der starrsinnig in die Kamera blickte. Laut Personalien handelte es sich um Thomas Räusperich, geboren am ersten April neunzehnhunderteinundfünfzig. Wegen versuchten Bankraubes mit Geiselnahme zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Hm, seltsam, es besteht kein Hinweis auf Angehörige. … Allerdings muss es doch irgendeine Anschrift geben, die er bei seiner Entlassung angegeben hat. Fieberhaft überflog sie die für sie interessanten Eintragungen. Wie bereits bekannt, handelte es sich um einen Fall, an dem Oberstaatsanwalt Müllerich bis zu einem gewissen Zeitpunkt mitgewirkt hatte. Das Erstaunliche daran war, dass er ihm aber kurz danach vom Richter wieder entzogen wurde. Nur ein kleiner Hinweis in Form eines überaus knappen Vermerkes deutete daraufhin. Ohne nähere Angabe von Gründen, wurde ihm Staatsanwalt Fabian Fischmops vor die Nase gesetzt und mit der Angelegenheit betraut. Zumindest ergibt sich dieses Bild für einen Außenstehenden.
Die Tür wurde geöffnet und Oberkommissar Norman Nessel und Kommissar Lasse Beerens kehrten vom Tatort zurück. Als erstes schenkten sich
Weitere Kostenlose Bücher