Der Tod des Teemeisters
Herrn Kōsetsusai in Umlauf geraten, doch das über Bruder Sōji war um so vieles trauriger und düsterer. Unmittelbar vor der Niederlage von Odawara soll er etwas gesagt haben, das den Taikō so sehr erboste, daß er ihm Nase und Ohren abschneiden ließ und er daran starb. Soweit das Gerücht. Meister Rikyū muß es gekannt haben, aber nie hat er ein Wort darüber verloren.
»Für mich sind das auch nur Gerüchte. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung«, sagte Herr Kōsetsusai und überlegte einen Moment. »Wenn Ihr gestattet«, fuhr er fort, »würde ich Euch, da Ihr nun das Manuskript lesen werdet, gern meine Ansicht dazu darlegen. Ich meine, ob diese Gerüchte über sein Ableben wahr sein könnten oder nicht. Anschließend würde ich gern Eure Meinung dazu hören. Hattet Ihr Herrn Sōjis Bekanntschaft gemacht?« »Leider hatte ich nie die Gelegenheit. Ich hätte ihn gern kennengelernt. Als ich im zehnten Jahre Tenshō 10 in Meister Rikyūs Dienste trat, war Herr Sōji bereits Teemeister bei Taikō Hideyoshi. Offenbar hat er bald darauf den Zorn seines Fürsten erregt, aber wir haben nie erfahren, ob er entlassen wurde oder geflohen ist. Einmal hieß es, er sei in Kyōto oder in Sakai, aber begegnet bin ich ihm nie. Sollte ich ihn gesehen haben, muß es nach der Schlacht von Odawara gewesen sein. Zur der Zeit weilte mein Meister in Yumoto in der Nähe von Hakone, undich glaube, es war damals sein größter Wunsch, Yamanoue Sōji zu sehen. Vermutlich dachte er, daß er ihn aus jeder Lage retten könne. Ich habe das Gefühl, daß Meister Rikyū seinem Schüler Sōji in Odawara Tag für Tag innerlich zurief, er möge doch die Burg verlassen. Zu jener Zeit hatte Meister Rikyū noch große Macht und Selbstvertrauen. Er hätte viel bewirken können!«
»Trotz allem glaube ich nicht, daß damals jemand die völlig eingekesselte Burg von Odawara hätte verlassen können. Nicht mal eine Ameise hätte da rauskriechen können. Aber vielleicht ist Herr Sōji doch geflohen. Allerdings ist sein Teeschüler Minagawa Kōshō mit seinen Soldaten hinausgelangt. Vielleicht hatte Sōji beschlossen, mit diesem Minagawa zu fliehen. Ob es ihm gelang oder nicht, wissen wir nicht. Wenn ja, könnte das den Anlaß gegeben haben zu den Gerüchten über das Unglück, das ihn heimgesucht hat. Aber selbst wenn es ihm nicht gelungen ist, muß ihm nicht unbedingt etwas zugestoßen sein. Jedenfalls habe ich keine Ahnung, was während der Belagerung von Odawara aus Yamanoue Sōji geworden ist.
Da meinem Herrn, Fürst Hōjō, die Niederlage drohte, fehlte mir die Zeit, mich um Sōji zu kümmern. Erst als die Burg gestürmt und Fürst Hōjō gefallen war, erkannte ich, daß Herr Sōji nicht mehr da war. Keine Spur von ihm. Davor hatte es mich jedoch sehr beeindruckt, wie er die Samurai in der Burg, deren Schicksal schon morgen besiegelt sein konnte, jeden Tag zu einer Teezeremonie empfing. Seine Art, den Tee zu bereiten, und überhaupt seine ganze Haltung war kühn und angemessen. Ich sehe ihn noch heute manchmal vor mir.«
»Auch mein Meister hatte in Hakone viel zu tun. Taikō Hideyoshi erwies ihm täglich die Ehre. Zusätzlich suchtenihn ständig andere wichtige Persönlichkeiten auf. Im sechsten Monat erschien sogar der berühmte Date Masamune.«
»Damals widmeten sich alle Krieger – Angreifer und Verteidiger – der Teezeremonie. Die Angreifer standen unter der Obhut Meister Rikyūs, während sich Yamanoue Sōji der verteidigenden Partei annahm. Ob in Hakone oder Odawara – überall fanden Teezeremonien statt.«
»Meister Sōjis Schüler müssen damals von großem Ernst ergriffen gewesen sein.«
»Da mögt Ihr recht haben.«
»Zumindest wußten Gäste und Gastgeber in Odawara nie, ob sie den morgigen Tag noch erleben würden.«
»So war es.«
»Wie gern hätte ich einmal einer solchen Zeremonie beigewohnt.« Das war meine ehrliche Meinung, denn Herr Kōsetsusai sagte, Bruder Yamanoue Sōji habe seine Kunst damals hervorragend beherrscht, was ich mir sehr gut vorstellen kann.
»Es ist bedauerlich, aber inzwischen ist es beinahe unmöglich, Zeuge einer solchen Zeremonie zu werden. So sehr haben die Zeiten sich geändert. Und die Teezeremonie mit ihnen, und sie wird sich noch weiter wandeln. Nach Rikyūs Tod ist Furuta Oribes Zeit angebrochen.«
»Hat sich die Teezeremonie unter seinem Einfluß wirklich so sehr verändert? Da ich mich nach Meister Rikyūs Tod aus der Welt des Tees hierher zurückgezogen habe, liegt all das für mich
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