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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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umspielte. Auf seiner Stirn tauchten Schweißperlen auf. Das Schlimmste war, dass sie es zu bemerken schien. Als er sein Portemonnaie aus der Hosentasche nahm und ihr verlegen ein paar Heller reichte, lachte sie ihm ins Gesicht, steckte die Münzen in ihre Rocktasche, ergriff seine Hand und drehte sie mit der Handfläche nach oben.
    „Dafür werde ich Ihnen die Zukunft voraussagen.“
    Rasch entzog er ihr seine Hand.
    „Dann eben nicht.“ Sie wirkte eingeschnappt.
    „Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht kränken.“
    Sie schaute ihn misstrauisch an.
    „Kennen Sie Napoleon? Vielleicht sollten Sie den mal fragen.“
    „Die Schwabenaus haben eine hohe Belohnung für denjenigen, der Leonie findet, in Aussicht gestellt“, sagte Gustav, obwohl es nicht der Wahrheit entsprach.
    „Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht weiterhelfen.“
    „Danke. Falls Ihnen doch etwas zu Ohren kommt … , oder etwas einfällt, lassen Sie es mich bitte wissen.“ Gustav reichte ihr eine seiner neuen Visitenkarten.
    Sie schaute seine Karte lange an. Wahrscheinlich konnte sie nicht lesen.
    „Ich werde mich umhören, Herr Graf.“
    Gustav überlegte, seinen Rang richtigzustellen, ließ es aber bleiben. Außerdem musste er sich eingestehen, dass ihm die Anrede schmeichelte. Eigentlich stand sie ihm ja fast zu. Wenn dieser verdammte Batheny seine Mutter geheiratet hätte, würde er den Titel eines Tages erben …
    „Falls ich etwas über Leonies Verbleib erfahren sollte, werde ich Sie sofort benachrichtigen.“
    Da er nicht wusste, wie er das Gespräch vor all den Zigeunern, die um sie herumstanden, weiter in Gang halten könnte, verabschiedete er sich hastig von ihr.
    Auf dem Weg in den Volksprater sah er schon aus der Ferne die mächtige Kaiserkrone oben auf der Rotunde in der Morgensonne leuchten. Gustav erinnerte sich daran, wie ihn sein Großvater zur Eröffnung der Weltausstellung mitgenommen hatte. Er war ein Knirps von elf Jahren gewesen und aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen.
    Der größte Kuppelbau der Welt, dieser Gugelhupf aus Glas und Stahl, wie die Wiener das monströse Gebäude nannten, beeindruckte ihn nach wie vor. In diesem monumentalen Industriepalast fanden die interessantesten technischen Ausstellungen und sensationelle kulturelle Veranstaltungen statt. Vor zwei Wochen hatte er, gemeinsam mit Rudi, der als Polizist Freikarten bekommen hatte, ein Monsterkonzert des Wiener Männergesangsvereins mit tausend Sängern in der Rotunde miterlebt.
    Für einen frühen Vormittag war im Wurstelprater viel los. Die meisten Bier- und Weinschenken hatten geöffnet. Kasstecher, Limonihandler und Krapfenmacherinnen boten ihre Waren feil.
    Die Leute schienen sich alle in eine bestimmte Richtung zu bewegen.
    Plötzlich fiel Gustav ein, dass ja heute, am 3. Juli, das neue Riesenrad eröffnet werden sollte. Dieses Spektakel würde er sich nicht entgehen lassen, aber vorher wollte er unbedingt mit Napoleon reden.
    Als er die dicke Mathilde hinter ihrem Schießstand erblickte, fragte er sie, ob sie Napoleon gesehen hätte. Jeder im Prater kannte den Zwerg. Seinen richtigen Namen wussten die wenigsten. Irgendjemand hatte ihn einst nach dem berühmten Feldherrn benannt. Angeblich nicht nur, weil Bonaparte ja ebenfalls von kleinem Wuchs gewesen war, sondern wegen seines autoritären Gehabes und des Befehlstons, den er gern gegenüber anderen Leuten anschlug. Seit man ihm diesen Spitznamen verliehen hatte, trug der Zwerg meistens einen Dreispitz, der ihn erst recht wie Napoleon aussehen ließ.
    „Ich hab ihn heut noch nicht gesehen. Komisch, normalerweise ist er immer der Erste in der Früh.“
    „Redet’s ihr vom Napoleon? Vielleicht ist er krank. Er war die ganzen letzten Tage ein bisserl komisch. Bestimmt hat er was ausgebrütet …“ Der Rumpfmensch näherte sich auf seinen Krücken, die er unter seine Achselhöhlen gepresst hatte, mit besorgter Miene dem Schießstand.
    „Geh, du hörst schon wieder das Gras wachsen.“ Mathilde schenkte dem schwerstbehinderten Mann einen verächtlichen Blick. „Wahrscheinlich treibt er sich vorn beim Riesenrad herum, der alte Wichtigtuer.“
    „Kennst du zufällig auch die Baronesse Leonie von Leiden?“
    „Natürlich kenn ich die Kleine, Euer Gnaden. Ich hab auf sie aufgepasst, als sie in ihren Windeln gelegen ist. Und ich hab dem kleinen Patscherl die ersten Schritte beigebracht, ihr die Nasen geputzt und ihre aufgeschlagenen Knie verbunden. Als sie drei war, hab ich sie drüben beim

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