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Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad

Titel: Der Tod fährt Riesenrad - Kneifl, E: Tod fährt Riesenrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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ein paar Minuten geht’s los.“
    „Hört, hört meine Herrschaften! Heut wird das Riesenrad eröffnet“, vernahm Gustav noch eine Weile seine Rufe.
    6
    Gustav nahm die Abkürzung über die große Baustelle beim Gasthaus „Zum Walfisch“. Hier würde bald die erste elektrisch betriebene Grottenbahn Europas den Betrieb aufnehmen. Monströse felsenartige Gebilde türmten sich vor ihm auf.
    Plötzlich erblickte er Rudi beim Eingang zum Riesenrad. Sein Freund hatte ihn auch gesehen und winkte ihn zu sich.
    Die Polizei hatte das Gelände rundherum abgesperrt. Innerhalb der Absperrung befanden sich einige Angehörige der Aristokratie, der Kardinal-Erzbischof mit seinem Gefolge und Gabor Steiner, der Vater des Riesenrads, mit den englischen Ingenieuren, die es gebaut hatten.
    Steiner hatte für dieses spektakuläre Bauwerk ein Stück des Vergnügungsparks „Venedig in Wien“ demontieren lassen. Einerseits tat es Gustav leid um den hübschen Turm von Murano, andererseits freute er sich, dass Steiner es geschafft hatte, den Bau des vierundsechzig Meter hohen, durch Elektromotoren betriebenen, senkrecht kreisenden Karussells bei den Behörden durchzusetzen. Er wusste aus Zeitungsberichten, dass es ein sehr schwieriges Unterfangen gewesen war, all die bürokratischen Hürden zu überwinden. Und so mancher Wiener Bauunternehmer hatte es Steiner schwer verübelt, dass er den Auftrag den britischen Ingenieuren Walter B. Basset und Harry Hitchins gegeben hatte. Angeblich hatte die Errichtung dieses monumentalen Wunderwerks der Technik eine Million Kronen verschlungen.
    Solche neuen technischen Errungenschaften wurden von jeher im Prater ausprobiert und waren bei den Wienern sehr beliebt. Auch Gustav war nicht unempfänglich für den Reiz der Höhe, des Schwindels und der Geschwindigkeit.
    Als er sich endlich unter vielen Entschuldigungen durch die Menge ganz nach vor zur Absperrung gedrängt hatte, war Polizei-Oberkommissär Rudi Kasper nirgends zu sehen. Dafür entdeckte er Margarete von Leiden und ihren Vater inmitten der illustren Gesellschaft. Er bemühte sich, in ihr Blickfeld zu gelangen, doch sie starrte geradeaus auf das riesige Rad, das sich noch nicht bewegte.
    Die Ansprachen dauerten eine kleine Ewigkeit. Die Sonne brannte erbarmungslos auf die Schaulustigen herab. Tausende waren an diesem heißen Julitag gekommen, um beim Eröffnungs-Spektakel dabei zu sein. Die wenigsten von ihnen konnten sich eine Fahrt mit dem Riesenrad leisten. Der Fahrpreis betrug heute am Eröffnungstag sechzehn Kronen, hatte Gustav auf einem Schild vor dem Kassenhäuschen gelesen. Für die meisten Leute war das mehr als ein Wochenlohn. Trotzdem waren die Wiener begeistert von diesem vierhundertdreißig Tonnen schweren Stahlbauwerk, das dreißig rote Kabinen in Bewegung setzen konnte.
    Nachdem die Militärkapelle die Kaiserhymne „Gott erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser, unser Land!“ gespielt hatte, erklang zu Ehren der Ingenieure auch die britische Nationalhymne „God Save the Queen“. So manch österreichischer Patriot in den hinteren Reihen begann zu meckern. Gustav wusste, dass die Einzelteile in London angefertigt und in Wien an Ort und Stelle zusammengebaut worden waren. Seiner Meinung nach gebührte den Engländern zumindest ein kleines Dankeschön.
    Nachdem der Kardinal-Erzbischof das Ungetüm gesegnet hatte, setzte es sich langsam und schwerfällig in Bewegung. Unbeschreiblicher Jubel brach aus. Die Leute klatschten wie wild und renkten sich die Hälse aus, um einen Blick auf die ersten mutigen Fahrgäste zu erhaschen. Bei all dem Gedränge fiel es Gustav schwer, seinen guten Platz zu behaupten.
    Ein Livrierter mit weißen Handschuhen öffnete die Tür der Gondel, die vor den Ehrengästen zum Stillstand gekommen war.
    Gustav ergatterte einen Blick auf die k.u.k. Hoheit der durchlauchtigsten Frau Kronprinzessin-Witwe Erzherzogin Stephanie. Und, oh Wunder, neben ihr stand die hübsche siebzehnjährige Tochter des verstorbenen Kronprinzen, Prinzessin Elisabeth Marie von Österreich. Die beiden ließen sich höchst selten gemeinsam in der Öffentlichkeit sehen. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter war nicht das beste, da Elisabeth Marie ihrer Mutter Mitschuld an der Tragödie von Mayerling gab. Es war allgemein bekannt, dass Rudolfs Frau es am Wiener Hof nie leicht gehabt hatte. Man hatte ihr den Spitznamen „kühle Blonde“ verpasst, und ihre Schwiegermutter Kaiserin Elisabeth hatte sie sogar als „Trampeltier“

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