Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
wenn ich helfen kann, Bursche. Meinst du, da ist was für dich drin?«
»Na ja, die schriftlichen Androhungen sind ja nicht besonders anschaulich formuliert – falls wir uns wirklich an diesen Brief halten wollen. Und die angeblichen Mordversuche, auch wenn sie wahr sein sollten, haben nicht viel mit dem gemein, was tatsächlich passiert ist.«
»Daph ist tot, das ist schon verdammt viel, was sie gemein haben.«
»Ja, aber die ursprüngliche Absicht war doch, alles wie einen Unfall aussehen zu lassen. Das mit dem Grill ist doch ganz anders. Es hat etwas Theatralisches an sich, es ist eine große Groteske, es ist krank! Und unnötig riskant. Statt die Leiche zu verstecken und abzuhauen, um sich ein Alibi zu verschaffen, nimmt der Täter das Schwein vom Grill und legt dafür die Leiche in den Korb, alles sehr zeitaufwendig. Das Unwetter zieht ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand vorbeigeschlendert kommt und einen dabei sieht, ist ziemlich hoch. Aber dieses Risiko nimmt einer auf sich. Warum? Mir scheint, als wäre hier was anderes im Spiel als bloße Gier, etwas Tieferes, Dunkleres. Die ganze Sache kommt mir vor, als sollte damit eine Aussage gemacht werden.«
»Eh, hübsch gesprochen, Pete. Sparst dir wahrscheinlich ein Vermögen an Groschenromanen«, sagte der Dicke.
»Deswegen bin ich so reich. Hör zu, Andy, ich muss Feldenhammer aufsuchen, wenn es also sonst nichts mehr …«
»Ich werde darüber nachdenken. Und mich nicht vom Fleck rühren.«
Warum klang das wie eine Drohung?
»Du warst eine große Hilfe«, sagte Pascoe. »Übrigens, wäre sehr nützlich, wenn ich mir die Aufzeichnung deines Gesprächs mit Lady Denham ausleihen könnte.«
Dalziel schürzte die Lippen. »Es ist kein Tonband, das weißt du. Sondern ein Flash-Speicher.«
»Ja, natürlich. Wie du schon sagtest, State-of-the-Art«, sagte Pascoe, der sich an den neuen technokratischen Dalziel nur schwer gewöhnen wollte. Dann dämmerte es ihm. Der Dicke hatte daneben noch andere Sachen gespeichert, die andere nicht hören sollten.
»Wie wär’s, wenn ich Wieldy anhaue, dass er es transkribiert?«
Dalziel überlegte kurz. »Ja, warum nicht?«
»Wunderbar. So, jetzt muss ich aber los. Pass auf dich auf.«
In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Andy, warum hast du mir nicht gesagt, dass Franny Roote hier ist? Du weißt, dass ich auf der Suche nach ihm bin.«
Die Frage schlüpfte ihm einfach so heraus, trotz seines Vorsatzes, persönliche Dinge außen vor zu lassen.
Dalziel antwortete nicht gleich, sondern führte das Glas an die Lippen. Zu Pascoes Überraschung trank er nicht, sondern schnupperte nur daran. Und dann stellte er das Glas mit der unerschütterlichen Entschlossenheit eines Cäsaren, der die angebotene Krone von sich wies, auf den Nachttisch.
»Das Auge war wohl größer als der Magen«, sagte er traurig. »Roote sagt, ich soll es als Chance verstehen, nicht als Problem. Aber so sieht der Bursche ja die meisten Dinge.«
»Auch, dass er das Leben in einem Rollstuhl verbringen muss?«, kam es von Pascoe scharf.
»Aye, das auch. Bringt ihm eine Menge Mitgefühl ein. Aber mir kommt es vor, als hätte er es auf Clara Brereton abgesehen. Die ist zwar recht mager, aber ich gehe davon aus, dass ihre fette reiche Tante das schon ausgleicht.«
»Was willst du damit andeuten, Andy?«, fragte Pascoe.
»Ich? Gar nichts! Außer vielleicht, dass er ein gerissener Scheißkerl ist, aber das weißt du ja selbst schon.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, kam es von Pascoe. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass er hier ist?«
»Er hat mir erzählt, er hätte die Verbindung abreißen lassen, weil er nicht wollte, dass du dich weiterhin für ihn verantwortlich fühlst«, sagte Dalziel. »Und ich hab ihm geglaubt. Okay?«
Bevor Pascoe etwas darauf erwidern konnte, klingelte sein Handy.
Er sah aufs Display, sagte, »lausiger Empfang hier drinnen«, winkte zum Abschied mit dem Gerät und schloss fest die Tür hinter sich.
Während er durch den Gang marschierte, nahm er das Gespräch an. »Hallo, Hat.«
Als er das Gespräch beendete, war er an seinem Wagen angelangt.
»Bin schon unterwegs«, sagte er.
Kurz zögerte er und sah zurück zum Gebäude. Er kam sich illoyal vor, als er davonbrauste, ohne dem Dicken Bescheid zu sagen, dass und warum er seine Pläne geändert hatte.
Aber wie die Geschichte lehrt, ist Loyalität stets das erste Opfer der Unabhängigkeit.
Er ließ den Motor an und fuhr Richtung Tor
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