Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
bei ihm zu einer regelrechten Manie auswuchs. Aber er hat es nie geschafft, ihn festzunageln. Dann fängt Roote an, ihm von überall her Briefe zu schreiben. Komische Sachen waren das, scheißfreundlich, oberflächlich betrachtet, in denen er ihm sagt, wie sehr er ihn bewundert. Aber Pete, der arme Kerl, flippt darüber total aus.
Schließlich, die große Wendung, wird Pascoes kleine Tochter Rosie von irgendwelchen Kanaillen, die Roote im Knast kennengelernt hat, als Geisel genommen. Roote schafft es, die Kleine freizukriegen, bekommt dabei aber eine Schrotladung in den Rücken gefeuert. Sieht aus, als würde er den Abgang machen. Aber er hält durch. Wird in irgendeine Spezialklinik im Süden verlegt. Pascoe bleibt in engem Kontakt. Kümmert sich um die Versicherung und die Entschädigungsforderungen. Meint, er schulde es ihm, besonders nach den niederträchtigen Gedanken, die er ihm zuvor entgegengebracht hat.
Ich war ebenfalls sehr dankbar. Rosie ist ein großartiges Kind, sie vereint in sich das Beste von ihrer Mum und ihrem Dad. Aber nur, weil ich dankbar bin, sehe ich ihn noch lange nicht als Sankt Franny!
Pete versorgte uns mit den Krankenberichten. Anfangs deutet alles auf Tetraplegie hin, als es schließlich nur Paraplegie wird, führt Pascoe sich auf, als hätte er im Lotto gewonnen. Was mir einige Kopfschmerzen bereitet. Ich sage ihm, sei dankbar, schön und gut, aber das heißt nicht, dass du dich dein Leben lang für den Kerl verantwortlich fühlen musst. Als ich das Pascoe sage, knallt er die Tür hinter sich zu, und das nächste halbe Jahr oder noch länger hab ich nichts mehr von Roote gehört. Da schmollte einer ziemlich lange, weshalb ich dann irgendwann selbst die Sprache auf ihn brachte.
Es stellt sich heraus, dass Pascoe nichts erzählt hat, weil es nichts zu erzählen gibt. Er hat den Kontakt verloren. Als die Mediziner meinen, sie hätten alles für ihn getan, verschwindet Roote anscheinend einfach so. Pascoe hat seinen Weg bis Heathrow nachverfolgen können, wo er einen Flieger in die Schweiz bestieg. Wir wissen, dass er da früher schon mal war. Einige seiner komischen Briefe sind von dort gekommen. Diesmal gibt es keine Briefe, noch nicht einmal eine Postkarte. Unsere Mutmaßung: Er wäre nicht Roote, wenn er sich mit einem Leben auf Bauchnabelhöhe zufriedengeben würde. Wahrscheinlich will er also einen Teil seiner Entschädigung dafür aufwenden, um ganz geheilt zu werden.
Wäre uns nicht schwergefallen, ihn dingfest zu machen. Selbst in unserem grenzenlosen Europa hinterlässt ein Ausländer in einem Rollstuhl eine Spur. Aber ich nehme an, Ellie sagte zu Pascoe, wenn Roote keinen Kontakt will, dann ist das seine Entscheidung.
Und hier ist er jetzt also, in Lebensgröße, mitten in meinem Revier – gut, vielleicht am äußersten Rand davon –, und ich weiß nicht das Geringste darüber.
Das gefällt mir nicht. Okay, ich hab kürzlich ein paar Tage im Koma verbracht, was aber noch lange kein Grund ist, nicht zu wissen, was abgeht.
Er manövriert seinen Stuhl neben mich und sagt: »Ich habe von Ihrer Unpässlichkeit gelesen, es freut mich daher sehr, zu sehen, dass die Berichte von Ihrer Genesung nicht übertrieben sind. Aber sagen Sie mir doch, ist dieser nackte Fuß Teil einer neuen Therapie? Oder sind Sie doch noch den Freimaurern beigetreten?«
Das ist Roote. Nichts entgeht ihm, während er sich selbst für einen Komiker hält.
»Du siehst selbst ganz gut aus, Bursche«, sage ich.
Das stimmt. Er wirkt sogar jünger als das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe – damit meine ich natürlich, bevor er angeschossen wurde. Der Wirt kommt an unseren Tisch und stellt ihm ein Glas hin, in dem etwas Purpurnes mit Bläschen schwappt. Vielleicht ist es das Lebenselixier. Wenn ein Kerl es findet, dann Roote.
»Danke, Alan«, sagt er. »Und Ihnen auch, Mr. Dalziel. Ja, es geht mir ausgesprochen gut. Also, was führt Sie ins sonnige Sandytown? Nein, sagen Sie es mir nicht. Lassen Sie mich raten. Ich würde sagen, Sie sind zur Rehabilitation im Avalon. Sie können noch nicht lange hier sein, Sie befinden sich noch in der Begutachtungsphase, die Sie, nachdem Sie ungeduldig wurden, abgekürzt haben, indem Sie den Weg in dieses ausgezeichnete Etablissement fanden.«
Sag ich doch, ein cleverer Bastard.
»Hätten wir dich früher in die Finger bekommen«, sage ich, »hätten wir einen Polizisten aus dir machen können, Roote. Aber ich beschwere mich nicht, dass wir dich erst später
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