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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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Normalerweise überlegte Gloria nicht so genau, was sie sagte, sondern rückte immer gleich mit der Sprache heraus, ehe sie auch nur einen Bissen oder einen Schluck zu sich genommen hatte. Gewöhnlich hielt sie mit Forderungen oder zumindest Beobachtungen nicht hinter dem Berg. Anmerkungen wie »Du hast wieder zugenommen« oder »Wann warst du das letzte Mal bei der Kosmetikerin?« oder »Es wird langsam Zeit, dass du dir einen Kerl suchst, der sich mindestens einmal am Tag rasiert«.
    Dass all das nicht geschah, deutete wirklich auf schlechte Schwingungen hin. Honey schwante Schreckliches.
    »Dora ist tot.«
    Das wurde ganz schnell hervorgestoßen. Die Schultern ihrer Mutter senkten sich in einem herzzerreißenden Seufzer. »Noch eine meiner Freundinnen ist hinübergegangen.«
    Honey bedauerte, dass sie so misstrauisch gewesen war, und biss sich auf die Unterlippe.
    »Das tut mir leid.«
    Ihre Mutter seufzte wieder. »Noch eine Beerdigung. Heutzutage sind Beerdigungen die häufigsten Termine in meinem Kalender.«
    Noch eine Beerdigung. Dieses Wort hallte in Honeys Kopf wider. Hoffentlich würde nicht von ihr erwartet, dass sie wieder den Chauffeur spielte. Jedenfalls sandte sie ein kleines Stoßgebet gen Himmel: Lieber Gott, bitte sorge dafür, dass es reichlich Taxis gibt.
    Andererseits war es für sie kein Problem, ein wenig Mitgefühlzu zeigen. Dem Anlass entsprechend, setzte sie sich wesentlich langsamer hin und sprach mit leiser Stimme.
    »Wie ist es denn passiert?«
    »Man hat sie tot in der Badewanne gefunden, ganz schrecklich. Die Sanitäter mussten das Wasser ablassen und die Feuerwehr holen, die die Wanne mit dem Schweißbrenner aufschnitt, um sie rauszuholen. So fest war sie da eingeklemmt.«
    »Wie furchtbar. Das tut mir wirklich leid.«
    Überrascht war Honey jedoch nicht. Dora war sehr übergewichtig gewesen. Sie hatte für ihr Leben gern Schokolade, Sahnetörtchen und in Cornish Cream getunkte Rumtrüffel gegessen.
    Honey tätschelte die Hand ihrer Mutter. »Das ist fürchterlich. Es tut mir so leid.«
    »Es heißt, es war eine Herzattacke. Ich glaube nicht, dass sie so kurz nach dem Mittagessen hätte baden sollen. Der Arzt hatte sie ja gewarnt. Er meinte, ihre Arterien wären völlig zu, und sie sollte die Hände von Milchprodukten lassen. Na ja, sie hat in letzter Zeit immerhin von Vollmilch auf Magermilch umgestellt.«
    »Und was ist mit Schokolade?«
    Ihre Mutter schüttelte den Kopf und stieß durch die geschürzten Lippen zischend Luft aus. »O nein. Dora meinte, das würde denn doch zu weit gehen. Sie wollte es ja nicht übertreiben. Nein, sie hätte nicht in die Badewanne steigen sollen«, sagte Gloria feierlich.
    »Und auch kein so üppiges Mittagessen zu sich nehmen sollen«, fügte Honey hinzu. »Dora hat immer alles im großen Stil gemacht. Wahrscheinlich war es reine Cornish Cream, die ihre Arterien zugesetzt hat.«
    Wieder trat eine Pause ein, ein seltsames Schweigen, in dem Honey beinahe hören konnte, wie die Rädchen imKopf ihrer Mutter surrten und ein gerissenes Manöver planten.
    »Die Sache wird dadurch kompliziert«, sagte ihre Mutter und wählte ihre Worte sorgfältig, »dass sie keine Angehörigen hatte. Sie hat ihr gesamtes Vermögen dem Hundeasyl von Bath vererbt.«
    »Ah ja, das wundert mich nicht«, antwortete Honey und nickte. »Dora mochte Hunde. Besonders Bobo.«
    Da bemerkte sie, wie bei der Erwähnung des inkontinenten Hundes die Lider ihrer Mutter leicht zuckten. Sie zwinkerte, als wäre ihr ein Stäubchen ins Auge geraten.
    Alle Alarmglocken schrillten in Honeys Kopf. Und dann geschah es. Ihr dämmerte die Wahrheit. Ihre Mutter hatte doch einen bestimmten Grund für ihren Besuch.
    »Bobo ist das Problem«, erklärte Gloria mit niedergeschlagenen Augen und Durchtriebenheit in der Stimme. »Sie hat den Hund einer ihrer Freundinnen hinterlassen. Welcher, das wissen wir noch nicht – nicht bis zur Testamentseröffnung. Und inzwischen ...«
    Ohne dass Gloria etwas sagen musste, wusste Honey, dass ihre Mutter von ganzem Herzen hoffte, nicht die Auserwählte zu sein.
    Sie dachte ganz ähnlich, hatte einen schrecklichen Augenblick lang befürchtet, der Hund wäre ihr vermacht worden.
    »Das ist sehr traurig, aber im Hundeasyl kümmern die sich sehr fürsorglich um die Tiere. Es wird Bobo dort gutgehen, bis alles geregelt ist.«
    Sie hätte es besser wissen müssen. Heute stand sie ohnehin den ganzen Tag unter Druck, und ihre Mutter war Expertin im Druckmachen.
    Gloria Cross

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