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Der Tod ist kein Gourmet

Der Tod ist kein Gourmet

Titel: Der Tod ist kein Gourmet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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das lag bei weitem nicht nur an ihrem fortgeschrittenen Alter.
    Miss Fox ging davon aus, dass Honey die Fernsehsendung verpasst hatte, und machte sich daran, alles Nötige in wohlgesetzten Worten zu erklären. »Der nette Polizist hat um Hilfe aus der Öffentlichkeit gebeten, von jedem, der Informationen zu diesem Mord hat – oder zu jemandem, der sich mit einem Riesenteddybär davongemacht hat.«
    Andere Mitglieder des Vereins der Agatha-Christie-Freunde waren erschienen und trugen nun ihren Teil bei, alle mit strahlenden Gesichtern und übereifrigem Interesse. Auf ihren Zügen spiegelte sich ungeheure Begeisterung wider, ganz anders als auf der Miene eines durchschnittlichen professionellen Polizisten. Im Gegensatz zum armen Doherty steckten diese Amateurdetektivinnen nicht bis zum Hals in Schreibarbeit. Sie waren auf gute, altmodische Schnüffelarbeit eingestellt, die Art, die in eleganten Salons stattfindet und in Büchern, wo der Mord in der Bibliothek begangen wird und der Butler immer ein möglicher Verdächtiger ist.
    Dass eine solche Menschentraube sie bedrängte, machte Honey ein wenig nervös, aber sie hatte ja reichlich Erfahrung mit Konferenzen, auch solchen, bei denen sich die Delegierten mehr für die alkoholischen Getränke als für die Vorträge interessierten. Sie wahrte also nach außen hin Gelassenheit und machte mehrere kleine Schritte rückwärts in Richtung Küche.
    »Sie müssen mich jetzt leider entschuldigen«, verkündete sie fröhlich und überlegte, dass heute ein seltsamer Tag war, der kaum noch seltsamer werden konnte.
    Da quietschte die Drehtür leicht, und eine kleine, frische Brise wehte herein. Dazu eine Parfümwolke, in der die in ein rostrotes Leinenkostüm von Max Mara gekleidete Gloria Cross ins Foyer geschwebt kam. Alle Augen richteten sich auf sie. Das war auch ihre Absicht. Honeys Mutter zog sich an, um Aufsehen zu erregen, und das gelang ihr gewöhnlich. Alles an ihr, vom sorgfältig frisierten Haar bis zu den spiegelblanken Lackschuhen, war hervorragend ausgewählt und hervorragend zur Schau gestellt.
    Manchmal nahm Honey es ihrer Mutter übel, dass sie so unvermittelt auftauchte wie der Geist aus der Flasche. Heute nutzte sie ihre Ankunft jedoch sofort aus.
    »Meine Mutter!«, rief sie mit überschäumender Zuneigung, weit mehr, als sie sonst bei Glorias unangekündigtem Erscheinen aufbrachte. »Bitte entschuldigen Sie mich.«
    Es tat sich eine Lücke im Gedränge auf, und Honey schlüpfte hindurch. Sie ging rasch zu ihrer Mutter, nahm sie beim Arm und führte sie hinter dem Empfangstresen ins Büro.
    »Unterhalte du die Damen«, zischte sie unterwegs noch Lindsey ins Ohr. »Erzähl ihnen was von den Römern.«
    »Von einem römischen Detektiv?«
    »Kennst du einen?«
    »Ja, schon ...«
    Honey bekam den Namen nicht mehr mit.
    Sobald die Bürotür zu war, holte sie tief Luft und lehnte sich dagegen, für alle Fälle, sollten sich die alten Damen zu einem spontanen Massenangriff entschließen.
    »Möchtest du eine Tasse Kaffee?«, fragte sie ihre Mutter.
    »Was hast du denn vor?«
    Gloria Cross musterte ihre Tochter fragend, ehe sie bemerkte, dass die sie beim Ärmel gepackt hatte.
    »Hannah! Du zerknitterst meine liebste Leinenjacke!«
    »Tut mir leid.«
    Honey lockerte ihren Griff.
    Ihre Mutter zog die Augenbrauen missbilligend in die Höhe und strich mit sanft duftender Hand über den knittrigen Ärmel, entschlossen, ihn wieder zu gehorsamer Glätte zu bändigen.
    »Hast du auch nur eine Ahnung, wie viel die gekostet hat?«, grummelte sie und schaute immer noch wie gebannt auf ihren Ärmel.
    Honey versuchte gar nicht erst, diese Frage zu beantworten, sondern beschäftigte sich damit, Kaffee einzugießen. Sie reichte ihrer Mutter eine Tasse.
    »Also, was treibt dich her?«
    »Braucht man immer einen Grund? Kann ich nicht mal einfach so meine einzige Tochter besuchen?«
    Irgendetwas an ihrem Tonfall, an ihrem Blick stimmte Honey misstrauisch. Ihre Mutter tat nichts ohne Grund. Heute war keine Ausnahme.
    »Normalerweise gibt es einen Grund.«
    Ihre Mutter nippte am Kaffee und hinterließ einen perfekten rosa Kussmund am Rand der Tasse. Sie schluckte und schien ein wenig vor sich hin zu träumen, ehe sie sagte, weshalb sie hergekommen war.
    Honey überlegte, ob sie nicht machen sollte, dass sie wegkam. Irgendetwas an diesem Besuch erschien ihr sehr seltsam. Schlechte Schwingungen, so würde Mary Jane es formulieren.
    Wahrscheinlich war es das lange Schweigen ihrer Mutter.

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