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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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auf ihn zu und krallte die langen, blutroten Fingernägel in seine Handfläche.
    Es war eine gute Masche, die vermutlich bei vielen Männern verfing.
    Die scheinbar auch bei Owens verfing.
    »Wieviel?«
    »Nur drei Pfund für den Mitgliedsbeitrag. Wir sind ein privater Club – Sie wissen schon …« Sie hob die Augen unter den lila leuchtenden Lidern gen Elysium.
    »Ist Gloria noch da?«
    Der Blick kehrte wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Voller Argwohn, aber auch nicht ohne Neugier.
    »Wer?«
    »Wenn Gloria noch da ist, läßt sie mich umsonst rein.«
    »Hier gibt’s so viele Namen, Mister. Echte Namen und Künstlernamen …«
    »Und wie heißt du, Schätzchen?«
    »Also willst du nun oder nicht? Drei Pfund.«
    »Du bist nicht sehr hilfsbereit.«
    »Dann verpiß dich doch, Mann!«
    »Du kennst Gloria also nicht?«
    »Was zum Teufel willst du eigentlich von mir?« fauchte sie böse.
    »Ich habe hier ganz in der Nähe gewohnt«, erwiderte er sehr leise. »Und Gloria hat damals hier gearbeitet. Als Stripperin. Sie galt als eine der Besten in der Branche.«
    Wieder blitzte in den Augen unter den grellfarbenen Lidern Interesse auf.
    »Wann war denn das?«
    »Vor etwa zwanzig Jahren.«
    »Na hör mal! Dann ist sie ja inzwischen ’ne Oma!«
    »Davon ist mir nichts bekannt. Allerdings hatte sie ein Kind, eine Tochter.«
    Ein erstaunlich großer, elegant gekleideter Japaner war in das Magnetfeld des Le Club Sexy geraten.
    »Hereinspaziert. Hereinspaziert und …«
    »Wieviel kostet?«
    »Nur drei Pfund. Wir sind ein privater Club, da muß man Mitglied sein.«
    Mit einem überaus höflichen und seltsam zutraulichen Lächeln nahm der Japaner eine neue Zehn-Pfund-Note aus seiner großen Brieftasche und übergab sie der Anreißerin. Er verbeugte sich formvollendet, während sie mit einer Hand den bunten Lamellenvorhang zur Seite schob, der den abgetretenen Läufer der schmalen Stiege, die zu den geheimen Freuden führte, vor den Blicken der Passanten verbarg.
    »Sie mir geben Wechselgeld, bitte? Ich geben zehn Pfund.«
    »Sagen Sie einfach unten Bescheid, okay?«
    »Warum Sie mir nicht geben meine sieben Pfund?«
    »Das geht schon in Ordnung. Okay?«
    »Okay.«
    Auf halbem Wege die Treppe hinunter machte sich das neue Mitglied eine Notiz in einem kleinen schwarzen Buch, wobei ein – wenn der Ausdruck erlaubt ist – ergründliches Lächeln um seine Lippen spielte. Er war Mitarbeiter einer Abteilung, des Innenministeriums, die für die Vergabe von Lizenzen für sämtliche »Vergnügungsstätten« im Bezirk Soho zuständig war, und verfügte über ein großzügig bemessenes Spesenkonto.
    Aber das brauchte er auch.
    Manchmal hatte er durchaus Freude an seiner Arbeit.
    »Hast du nie ein schlechtes Gewissen bei so was?«
    »Was meinste denn damit?«
    »Der sieht sein Wechselgeld doch nie …«
    »Jetzt reicht’s! Verpiß dich, Mann!«
    »Gloria hatte manchmal ein schlechtes Gewissen, sie war in dieser Hinsicht erstaunlich sensibel. Sie hätte dir gefallen. Solltest du sie sehen, sag ihr einen schönen Gruß von Geoff Owens, ja? Sie erinnert sich bestimmt noch an mich. Sag ihr, daß ich ihr ein Geschäft vorschlagen möchte. Vielleicht ist sie oder auch ihre Tochter ein bißchen knapp bei Kasse, man weiß das ja nie heutzutage …«
    »Was hat ihre Tochter damit zu tun?«
    Owens, der jetzt seiner Sache sicher war, fuhr lächelnd mit dem rechten Handrücken über ihre Bluse.
    »Könnte sein, daß du eine ganze Menge damit zu tun hast, Schätzchen.«
    Sie widersprach nicht, sondern deutete kurz über die Straße. »Im Pub, in einer halben Stunde. Okay?«
    Sie sah dem Mann mit dem dunklen Bartschatten nach, der sich Owens nannte und den sie noch nie gesehen hatte. Aber sie würde ihn sofort wiedererkennen, das dunkle Haar über den Ohren nach hinten gekämmt und im Nacken zu einem über zwanzig Zentimeter langen Pferdeschwanz zusammengebunden.
     
    Abgesehen von dem Lumpensammler um Mitternacht, der »an jeder Milchkanne hielt«, wie frustrierte Reisende gern sagten, ging der letzte Zug um 23.20 Uhr von Paddington ab. Schwer atmend sprang Owens auf, während der Turbo Express sich mit einem jähen Ruck in Bewegung setzte. Der Zug war nur halb voll, so daß er gleich einen Sitzplatz fand.
    Er war sehr mit sich zufrieden. Das Rendezvous im Pub war noch ergiebiger gewesen, als er zu hoffen gewagt hatte. Zufrieden lehnte er sich zurück und schloß die Augen, während er über die möglichen Konsequenzen der Geschichte

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