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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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nachdachte, die er gerade erfahren hatte.
    In Didcot fuhr er hoch und wußte im ersten Moment nicht, wo er war. Den Halt in Reading hatte er glatt verschlafen. Entschlossen, die letzten zwölf Minuten der Fahrt wach zu verbringen, griff er nach dem Evening Standard, den jemand auf dem Platz gegenüber hatte liegenlassen, und las gerade die Sportseite, als er über den Rand seiner Zeitung weg einen Mann durch den Gang kommen sah, der sich kurz vor seinem Platz neben eine Frau setzte. Und Owens kannte ihn.
    Mr. Julian Storrs vom Lonsdale College.
    Schau mal einer an …
    In Oxford verschanzte sich Owens hinter dem Evening Standard, bis alle anderen Reisenden den Wagen verlassen hatten. Beim Aussteigen sah er Storrs Arm in Arm mit seiner Begleiterin die Stufen der Fußgängerbrücke hochsteigen, die über die Gleise zum Bahnsteig eins führte. Und zum zweitenmal an diesem Abend packte Owens genüßliche Erregung, denn auch die Frau hatte er sofort erkannt.
    Kein Wunder.
    Sie wohnten schließlich Tür an Tür.

6
     
    Montag, 19. Februar
     
    Unter dem Schleier verbirgt sich manch anmutige Gestalt, doch wenn du ihn wegnimmst, entdeckst du eine Großmutter.
    (Musharrif-Uddin, Gulistan )
     
    In sauberen Blockbuchstaben hatte der Chief Inspector gerade seinen Namen, e. morse, gemalt und war dabei, die Adresse darunterzusetzen, als Lewis am Montag, dem 19. Februar, um 8.35 Uhr sein Büro betrat.
    »Was haben Sie denn da, Sir?«
    Morse sah auf die Seite herunter, die er aus einer der gestrigen Zeitungsbeilagen gerissen hatte.
    »Sonderangebot: Zwei CDs gratis, wenn man Mitglied in der Music Club Library wird.«
    Lewis zog ein skeptisches Gesicht. »Vergessen Sie nicht, daß Sie dann jeden Monat ein Buch kaufen müssen. Das Leben besteht eben nicht aus kostenlosen Beigaben.«
    »In diesem Fall schon. Man braucht sich nur das Buch anzusehen, das sie einem schicken, und wenn es einem nicht gefällt, kann man es zurückgeben, ich glaube, sie ersetzen einem sogar das Porto.«
    Lewis wartete, bis Morse das Anmeldeformular ausgefüllt und ausgeschnitten hatte.
    »Ich fände es ja fairer, wenn Sie dann wenigstens ein paar Bücher behalten würden …«
    »Ach ja?«
    »Oder wenigstens eins. «
    Die sehr blauen Augen richteten sich unschuldig und leicht gekränkt über den Schreibtisch hinweg auf Sergeant Lewis.
    »Aber das Buch für diesen Monat hab ich mir schon zu Weihnachten gekauft.«
    Er steckte das Formular in einen Umschlag und schrieb die Adresse des Clubs darauf. Dann holte er eine Handvoll Plastikkärtchen aus der Brieftasche: Leserausweis der Bodleian Library; Lloyds-Kreditkarte; Pannenhilfe des RAC; Blutspenderausweis; Blackwell’s Bookshops; Leserausweis der Oxford City Library; Telefonkarte. Ein Heftchen mit Briefmarken aber fand sich nicht.
    »Sie haben nicht zufällig eine Briefmarke bei sich, Lewis?«
    »Welche CDs wollen Sie denn haben?«
    »Ich habe die Glagolitische Messe von Janácek bestellt, die werden Sie nicht kennen. Wunderbare Aufnahme mit Simon Rattle. Und die Vier letzten Lieder von Richard Strauss mit Jessye Norman. Natürlich habe ich davon schon mehrere Aufnahmen mit anderen Sopranistinnen.«
    Natürlich …
    Lewis kramte nach einer Briefmarke.
    Es kam öfter vor, daß Lewis daran erinnert wurde, was ihm im Leben entgangen war oder dem er keine Priorität beigemessen hatte. Ihm war nur der Strauß von der Schönen blauen Donau ein Begriff. Und erst vor kurzem hatte er erfahren, daß es auch von denen zwei gegeben hatte, Strauß Vater und Strauß Sohn, wobei er nicht wußte, welcher welcher war.
    »Hoffentlich sind Sie nicht enttäuscht, Sir. Manchmal halten diese Angebote nicht das, was sie versprechen.«
    »Sprechen Sie aus eigener Erfahrung?«
    »Nein, aber nehmen Sie nur mal Sergeant …« Lewis bremste sich gerade noch rechtzeitig. Der Anstand gebot, über die Schwächen seiner Kollegen den Mantel des Schweigens zu breiten. »Nehmen Sie einen Bekannten von mir. Er war auf so, eine Anzeige in einem Boulevardblatt gestoßen, in der ein kostenloses Video angeboten wurde – ein Sex-Video, in neutralem Umschlag ohne Absender für den Fall, daß die Frau … na, Sie wissen ja, wie das ist …«
    »Nein, das weiß ich nicht, Lewis. Aber bitte fahren Sie fort.«
    »Ja, also er suchte sich eins aus …«
    »Copenhagen Red-Hot Sex? «
    »Nein. Hausfrauen bei der Arbeit hieß es, und er dachte natürlich …«
    Morse nickte. »An Hausfrauen ›bei der Arbeit‹ mit dem Milchmann, dem Briefträger, dem

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