Der Tod ist mein Nachbar
Staubsaugervertreter …«
Lewis grinste. »Ja, und dann ist er fürchterlich reingefallen. Auf dem Video waren ganz und gar bekleidete schwedische Hausfrauen beim Abwaschen und Kartoffelschälen.«
»Geschieht Sergeant Dixon recht.«
»Sie reden aber nicht drüber, Sir?«
»Natürlich nicht. Und es ist wohl wirklich so: In diesem Leben bekommt man nichts geschenkt. Ich jedenfalls nicht.«
»Wirklich nicht, Sir?«
Morse leckte die Klappe des weißen Umschlags an und dann die Briefmarke, die Lewis ihm gegeben hatte.
Das Telefon läutete, und Lewis nahm ab, hörte einen Augenblick aufmerksam zu und legte die Hand über den Hörer.
»Ein Mord, Sir. Gleich um die Ecke, im Bloxham Drive.«
TEIL ZWEI
7
Wir würden uns freuen, wenn Sie uns nicht nur mit Ihrer Stimme unterstützen, sondern den beiliegenden Aufkleber in einem Ihrer Fenster anbringen würden.
(Auszug aus einer von der Labour Party East Oxford
verteilten Broschüre zur Kommunalwahl 1994)
Das hintere Fenster von Nummer 17 weckte in Morse eine Erinnerung.
Als Junge hatte ihn ein Foto in einem seiner Schulbücher fasziniert, das eine in den Südstaaten der USA häufig am Hals von Sklaven befestigte Vorrichtung zeigte – einen eisernen Ring, an dem in regelmäßigen Abständen ziemlich lange, furchterregende eiserne Dornen befestigt waren. In der Bildunterschrift hieß es, wenn Morse sich recht erinnerte, mit dieser Vorrichtung könne wirksam verhindert werden, daß ein flüchtiger Baumwollpflücker sich als wahlberechtigter Bürger ausgab.
Morse hatte diese Legende nie so richtig verstanden.
Ebensowenig sollte er – zumindest vorläufig – die Bedeutung des sauberen Einschußlochs in der Mitte der Scheibe verstehen, deren gleichmäßig um den Mittelkreis herum angeordnete Risse aussahen wie Sonnenstrahlen auf der Buntstiftzeichnung eines kleinen Kindes.
Morse stand auf einem der wackeligen Trittsteine des Gehwegs hinter den Reihenhäusern an der Nordseite des Bloxham Drive in Kidlington, Oxfordshire. Etwa die Hälfte der neben und hinter dem Weg versetzt gepflanzten jungen Bäume war mehr oder weniger übel zugerichtet, manche völlig ausgerissen, einige in der Mitte brutal durchgebrochen, andere standen mit abgeknickten Zweigen versehrt und verloren auf der ungepflegten, mit Abfall übersäten Fläche, die nach den Plänen des Umweltamtes als kleine grüne Insel die Gegend hatte verschönern sollen.
Morse tat das Herz weh.
Und dem neben ihm stehenden Lewis ging es nicht anders.
Allerdings ist an dieser Stelle wohl eine wichtige Einschränkung angebracht. Mit dem Bloxham Drive ging es nach Ansicht der meisten Anwohner unverkennbar wieder aufwärts. Durch den Einbau von Fahrbahnschwellen waren Wettfahrten mit gestohlenen Autos praktisch unmöglich geworden; nach dem Räumungsurteil gegen eine berüchtigte Familie von Asozialen konnten viele Leute wieder besser schlafen; und in den letzten zwei, drei Jahren waren die Grundstückspreise stark gefallen, was die Gegend für einige young urb a n Professionals nicht unattraktiver machte, und in den Häusern Nummer 1, 15 und 17 wohnten jetzt Besitzer aus diesem Personenkreis.
Zugegeben: Bloxham Drive und seine Nachbarschaft waren noch immer Welten von den friedlichen, baumbestandenen Sträßchen in Gerrards Cross entfernt, die Kriminalitätsrate war nach wie vor hoch, und nun war hier auch ein Mord begangen worden.
Um 8.40 Uhr hatte Lewis den Anruf entgegengenommen. Knapp eine Stunde zuvor – es war noch ungewöhnlich dunkel – war Mrs. Queenie Norris von Nummer 11 (wie jeden Morgen) mit ihrem achtjährigen King Charles-Spaniel an der Hinterfront der Häuserzeile Gassi gegangen, wobei sie sich wie immer großzügig über die Schilder hinwegsetzte, die darauf hinwiesen, daß das Verschmutzen von Gehsteigen und Rasenflächen streng untersagt war. Dabei hatte sie das geborstene Fenster in Nummer 17 bemerkt, sich allerdings nicht übermäßig darüber gewundert, da mutwillige Zerstörungen (wie wir bereits wissen) in dieser Gegend an der Tagesordnung waren und ein Wurfgeschoß – ob Flasche oder Ziegelstein – ähnliche Spuren hinterlassen hätte.
Nach ihrer Rückkehr aber beschlich Mrs. Norris, wie sie später der Polizei sagte, ein »ganz komisches Gefühl«, und kurz vor dem Wetterbericht in Radio 4 war sie – jetzt ohne Samson, der sein Geschäft inzwischen brav erledigt hatte – noch einmal aus dem Haus gegangen und hatte festgestellt, daß in der Küche von Nummer 17
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