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Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Feix
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Psychiatrieprofessoren Dr. Dr. Kloos von der Universität Göttingen und Obermedizinalrat Dr. Rohlfing vom Landeskrankenhaus Lüneburg zufolge war das der Fall. Die Gutachter versuchten auch, die Frage zu beantworten, die alle Prozeßbeobachter bewegte: Warum hat Rademacher diese Verbrechen begangen?
    Professor Kloos sah das Tatmotiv vor allem in Rademachers Geltungssucht. Drei Schlüsselerlebnisse hätten den in allen persönlichen Dingen überaus empfindlichen Jugendlichen zu einem kaltschnäuzigen Verbrecher werden lassen: die von ihm als zu hart empfundene erste Jugendstrafe vom Dezember 1954, die den damals 14jährigen wegen eines Bagatelldiebstahls für ein ganzes Jahr in die Strafanstalt Vechta gebracht hatte. Rademacher, der vor dieser Jugendstrafe bereits wegen chronischer Schul-schwänzerei, diverser Diebereien und allgemeiner moralischsittlicher Verwahrlosung zur Fürsorgeerziehung eingewiesen worden war, fühlte sich von da an als Märtyrer. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt, als er, der schießfreudige und waffennärrische Rabauke, der zum Vergnügen dutzendweise Vögel und Eichhörnchen abknallte, sich freiwillig zur Bundeswehr meldete, aber abgewiesen wurde. Aus Wut darüber kokelte er sofort Bretterbuden und Schießstände auf militärischem Gelände an. Die Zustimmungsverweigerung zur Verlobung mit seiner Freundin Uschi durch deren Eltern hätte schließlich das Maß voll gemacht. Rademac her, zu faul, sich in einem ehrlichen Beruf eine gesicherte Existenz zu erarbeiten, beschloß, Gangster zu werden und die Lüneburger das Zittern zu lehren. Zu rücksichtslosem Vorgehen entschlossen, führte er bei seinen Straftaten stets Waffen bei sich.
    Als der Gerichtsvorsitzende ihn fragte: „Hätten Sie auch geschossen?" erwiderte Rademacher gelangweilt: „Wahrscheinlich!"
    Vorsitzender: „So eine Gaspistole ist doch eine gefährliche Waffe!"
    Rademacher: „Es gibt gefährlichere. Man muß 'ran auf zwei bis drei Meter, sonst wirkt das Ding nicht. Und dann mitten ins Gesicht."
    Vorsitzender: „Und wenn der andere dabei draufgeht?"
    Rademacher (achselzuckend): „Risiko!"
    Diese Kaltschnäuzigkeit war so unfaßbar, daß der Vorsitzende später noch einmal darauf einging. „Hatten Sie denn keine Angst, daß man Sie entdecken könnte?"
    Rademacher: „Nee, wenn man eine Gaspistole hat, nicht."
    Vorsitzender: „Und einen Dolch doch auch!"
    Rademacher: „Klar, wenn da ein Nachtwächter mit dem Köter kommt, ist das Messer für den Hund und die Pistole für den Mann."
    Daß dieser Möchtegern-Gangster die Pistole „gegen den Mann" einzusetzen bereit war, hatte er zweimal bewiesen; wie er sich angesichts eines scharfen Wachhundes verhalten hätte, ist ungewiß.

Joggi ist verschwunden
    Am 15. April 1958 wurde der Kriminalgeschichte der BRD ein neues Blatt hinzugefügt. Ein Blatt, auf das die Bürger sicherlich gern verzichtet hätten; aber was geschah, war doch nur die Konsequenz der Entwicklung in diesem Staate.
    An diesem Tage, es war ein Dienstag, verließ gegen 11 Uhr 15 ein kleiner, aufgeweckter Junge seine Wohnung in der Löwenstraße 96 des Stuttgarter Vororts Degerloch, um im nahen
    Garten seines Freundes zu spielen. Von dieser Minute an waren die Stunden des siebenjährigen Joachim Goehner, den seine Eltern Joggi nannten, gezählt. Joggi Goehner sollte das erste Kidnapping-Opfer in der BRD werden. Das Verbrechen der erpresserischen Kindesentführung, 1932 von einem Deutschen, in den USA zuerst ausgeführt, seither in etlichen imperialistischen Staaten praktiziert, sollte von nun an die Kriminalstatistik der BRD um eine weitere grauenhafte Rubrik erweitern.
    Noch ahnten weder die Polizei noch die Öffentlichkeit etwas davon; Joggi, der sich schon sehr auf den nächsten Tag, seinen ersten Schultag, freute, erzählte voll Stolz seinem Spielkameraden, daß er nachmittags mit seinem Vater und seinem Bruder Peter auf der Schwäbischen Alb ein Segelflugzeugmodell ausprobieren wollte. Daher mußte er unbedingt pünktlich um 13 Uhr zu Hause sein. Das war ihm von der Kinderschwester ausdrücklich aufgetragen worden.
    Joggi hielt es nicht lange bei seinem Freund. Als er den Garten verließ, lief er seinem Entführer in die Arme. Joggi kam mittags nicht nach Hause. Sein Ausbleiben löste Unruhe aus. Der Kleine war kein Herumtreiber und hatte sich noch nie verspätet. Sein Vater, der Textilvertreter René Goehner. und die Kinderschwester, die Joggi seit der Scheidung seiner Eltern im Dezember 1957

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