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Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Feix
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beaufsichtigte, suchten ihn auf der Straße. Sie fragten die Nachbarn und Joggis Freunde und wurden immer besorgter. Am Nachmittag, gegen 17 Uhr, fuhr René Goehner schließlich nach Stuttgart zur Polizei.
    Er wurde an die Weibliche Kriminalpolizei (WKP), eine spezielle Dienststelle, verwiesen, die hauptsächlich auf dem Gebiet des Jugendschutzes tätig ist und die in Stuttgart eine sehr lange Tradition hat. Schon 1903 war hier der Gedanke der Ge-fährdetenfürsorge aufgekommen und hatte in den zwanziger Jahren zur Bildung einer „Frauenwohlfahrtspolizei" geführt, die später Grundstein der Stuttgarter weiblichen Kriminalpolizei wurde. Im Jahre 1945 waren auch die Dienststellen der WKP aufgelöst oder umorganisiert worden. Die weitreichende Verwahrlosung vieler Kinder und Jugendlicher nach dem Kriege und ihr hoher Anteil an der Kriminalität führten dazu, daß in der britischen Zone bereits im Winter 1945/46 weibliche Polizeiformationen aufgestellt wurden. Im Februar 1946 erhielt Hamburg eine 45köpfige weibliche Polizei, die ab 1. November 1946 in blauen Kostümen mit silbernen Knöpfen und Rangabzeichen ihren Dienst versahen. In Bremen entstand im April 1947 eine aus 25 Frauen bestehende, nach dem Vorbild der Konstabier in den USA eingekleidete weibliche Polizei, die die Kriminalpolizei bei Durchsuchungen unterstützte und zur Vernehmung von Kindern sowie zur Betreuung weiblicher Gefangener eingesetzt wurde. Anfang 1948 gab es bereits in allen Ländern der Westzonen eine weibliche Polizei, die teils in die Dienststellen der Kripo eingegliedert, teils auch direkt den Chefs der Kriminalpolizei unterstellt war. Seit 1956 arbeitet die Weibliche Kriminalpolizei der BRD nach der bundeseinheitlichen Richtlinie zur „Behandlung von Kindern und Jugendlichen bei der Polizei". Danach untersucht sie die Straftaten von Kindern und Jugendlichen, Kindesmißhandlungen und Verstöße gegen die Fürsorgepflicht durch Erziehungsberechtigte. Sie ist auch für die Vernehmung von Kindern und Jugendlichen bei Sexualverbrechen oder Verkehrsunfällen zuständig und führt immer dann die Untersuchungen in Fällen vermißter Kinder und Jugendlicher, wenn kein Kapitalverbrechen vorliegt. In manchen Bundesländern werden die Mitarbeiterinnen der WKP auch bei Festnahmen weiblicher Personen, zur Observation oder als „Lockvogel" eingesetzt. Die Angehörigen der WKP sind nicht bewaffnet. Nach Ansicht einiger Polizeichefs ist eine nur mit ihrem Charme ausgestattete Polizistin weniger gefährdet als eine revolverschwingende Walküre. Oder wie das der Münchner Kriminaldirektor Häringeinem Reporter gegenüber ausdrückte: „Für das Schießen sind genügend Männer da!"
    Als Rene Goehner der WKP-Dienststelle in Stuttgart das Verschwinden seines Sohnes Joachim anzeigte, wurde die Angelegenheit zunächst mit der üblichen Routine behandelt. Eine Suchaktion, vorerst auf den territorialen Spielbereich des Jungen beschränkt, verlief ergebnislos. Am folgenden Tag wurde eine Suchmeldung herausgegeben. Gleichzeitig nahmen die versierten Beamtinnen, die sich natürlich über die Situation in der Familie Goehner informiert hatten, Joggis Mutter unter die Lupe.
    Goehners waren seit Dezember 1957 geschieden. Das Sorgerecht für die beiden Söhne war dem Vater zugesprochen worden. Frau Goehner war aus der Löwenstraße 96 ausgezogen und hielt sich seit Anfang April in Gschwend, einem kleinen Kurort in Schwäbisch Gmünd, auf. Wenige Tage vor Joggis Verschwinden hatte sie ihm einen Brief geschrieben und mitgeteilt, sie könne bei seiner Einschulung leider nicht dabeisein. Dann aber tauchte sie plötzlich unangemeldet in der Mittagszeit des 15. April in Degerloch auf, zu dem Zeitpunkt also, als Joggi verschwand. Frau Goehner behauptete, sie hätte den Jungen nicht gesehen. Der Kinderschwester aber war eine eigenartige Nervosität an ihr aufgefallen, und das hatte den Verdacht der WKP erweckt. Joggis Mutter wäre schließlich nicht die erste geschiedene Ehefrau gewesen, die versucht hätte, ein als ungerecht empfundenes Gerichtsurteil eigenmächtig zu korrigieren. Doch die eingeleiteten Nachforschungen ergaben nichts Belastendes. Frau Goehner wurde dennoch ständig überwacht, später sogar mit ihrem Einverständnis bei der Leiterin der Stuttgarter WKP einquartiert und von allen Kontakten mit der Außenwelt abgeschnitten. Aber nichts deutete darauf hin, daß sie den Aufenthaltsort des Jungen kannte. Da von Joggi trotz aller Suche und Nachforschung keine

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