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Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Feix
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in eine Dickung. Er ließ ihn vor sich her pirschen. Plötzlich packte er zu und erwürgte ihn. Er versuchte, das tote Kind zu fesseln, ließ dann aber davon ab und fuhr mit dem Rad zu einer Kneipe in der Innenstadt, um seinen ersten Erpressungsversuch zu starten. Erst aus der Zeitung erfuhr er seinen Irrtum und meldete sich bei Joggis Vater.
    Das von Goehner hinterlegte Geld holte er nicht ab, weil er, in der Nähe des Depotortes versteckt, ein blaues Licht aufblitzen sah und eine Falle vermutete.
    Erst nach einer Woche Einzelhaft hatte sich Tillmann zum Geständnis durchgerungen. Seine Tatdarstellung stimmte mit dem objektiven Tatbefund überein. Die Kriminalpolizei aber wollte nicht glauben, daß er das Verbrechen allein geplant und ausgeführt hatte. Sie stützte sich auf das Obduktionsgutachten und vermutete, seine Geliebte hätte ihm geholfen und anfangs auch das entführte Kind versteckt. Diese Version hätte die Polizei, die trotz aufwendiger Suchaktion die Leiche des Kindes nicht gefunden hatte, rehabilitiert. Tillmann forderte daraufhin nachdrücklich, die Kripo solle ihn einem Test mit dem Polygraphen, dem sogenannten Lügendetektor, unterziehen, damit die Wahrheit seiner Aussagen erwiesen würde. In seinem einfältigen Gemüt glaubte er nämlich die Wunder, die in manchen Geschichten dem Lügendetektor zugeschrieben wurden. Die Kripo lehnte dieses Ansinnen ab. Nach dem BRD-Strafrecht ist der umstrittene Polygraphentest kein vor Gericht gültiges Beweismittel. Statt dessen bereitete sie, wie bei Kapitalverbrechen im allgemeinen üblich, zur Untermauerung des Tatgeständnisses eine Rekonstruktion des Tatherganges vor.
    Doch zu dieser Rekonstruktion kam es nicht mehr. In der Nacht vom 22. zum 23. Mai 1958 erhängte sich Emil Tillmann in seiner Zelle. In einem Abschiedsbrief, der an den Leiter der Untersuchungskommission der Kripo gerichtet war, beteuerte er nochmals die Unschuld seiner Freundin und setzte sie gleichzeitig zur Alleinerbin seiner bescheidenen Habe ein.
    Tillmann war der erste, aber er blieb nicht der einzige Kidnapper, den der Kriminalitätsdschungel in der BRD hervorgebracht hat. Bis zum Februar 1971 wurden sechs weitere Kin-desentführungen in der BRD bekannt. Am 3. Februar 1961 entführte der 18jährige Peter Schweiger in Friedrichshofen bei Ingolstadt den siebenjährigen Hansi Knaupp und erwürgte ihn. Er wollte vom Vater des Jungen ein Lösegeld von 2000 DM erpressen. Auch Schweiger wurde durch die Berichterstattung westdeutscher Illustrierten über eine Kindesentführung auf die Idee gebracht, eine solche Tat zu begehen. Drei Jahre später, am 13. Februar 1964, wurde der siebenjährige Timo Rinnelt aus Wiesbaden von dem 26jährigen Klaus Lehnert entführt und mit einem Stück Kabel erdrosselt. Die Tat wurde erst Ende Mai 1967 aufgeklärt.

„Hart wie Kruppstahl!"
    In den fünfziger Jahren wurde die westdeutsche Kriminalitätspalette immer bunter, die Verbrechen wurden immer brutaler und grauenhafter, ihre Täter immer jünger. Das hartgesottene Berufsverbrechertum bekam zunehmend Konkurrenz durch Halbwüchsige und Milchbärte. Die Jugendkriminalität wurde zum unübersehbaren Problem. Halbstarkenkrawalle, Rockercliquen, die ganze Wohngebiete terrorisierten, Räuber- und Diebesbanden. die sich aus Kindern und Jugendlichen zusammensetzten und vor denen nichts sicher war, Zerstörungen und Rowdytum, die gefährlich weit über das Maß von Dummejungenstreichen hinausgingen, beunruhigten die Öffentlichkeit.
    Am 17. März 1958 berichtete die westdeutsche Tagespresse von einer Clique 14- bis 15jähriger, die sich „Panther-Bande" nannte und über ein Jahr lang die Stadt Arnsburg in Nordrhein-Westfalen durch eine Serie dreister Einbrüche beunruhigt hatte.
Der 18jährige Peter Schweiger entführte den siebenjährigen Gastwirtsohn Hansi Knaupp und ermordete ihn
    Am 8. Juli des gleichen Jahres schrieb die „Süddeutsche Zeitung" über eine zehnköpfige Bande Halbwüchsiger aus Stuttgart, die in ihr Bandenstatut die Maxime „Auf Verrat steht Tod" aufgenommen und innerhalb von vier Jahren 172 Verbrechen begangen hatte.
    Ein Jahr später hob die Stuttgarter Polizei eine Bande jugendlicher Autodiebe aus, die aus zwölf Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren bestand und die 27 Personenkraftwagen und einen LKW gestohlen hatte.
    Tag für Tag mußten sich Kriminalpolizei und Gerichte mit Straftaten Minderjähriger befassen. Jugendliche stahlen, raubten, plünderten Geschäfte und Herbergen aus,

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