Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo

Titel: Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Feix
Vom Netzwerk:
Namen, einige sogar die vollständige Adresse verdächtiger Personen enthielten. Nur selten betrafen mehrere Hinweise die gleiche Person. Ein Name allerdings tauchte gleich sechsmal auf: der des Gärtners Emil Tillmann. Alle verwiesen auf eine sehr große Ähnlichkeit der Stimme.
    Am frühen Morgen des 6. Mai wurde Tillmann festgenommen. Bei der Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei eine schwarze Gesichtsmaske und einen Rest farblosen Lackes von der gleichen Art, wie ihn der Erpresser zum Aufkleben der Zeitungsbuchstaben benutzt hatte. Die Kripo stellte bei ihm auch mehrere Ausgaben von Stuttgarter Tageszeitungen sicher, aus denen einzelne Worte und Buchstaben ausgeschnitten waren.
    Tillmanns Vernehmung mußte um einige Tage aufgeschoben werden. Der Gärtner litt an einer peinlichen Krankheit und mußte ärztlich behandelt werden. Als er dann endlich auf dem Vernehmungsstuhl saß, dachte er gar nicht daran, die Tat einzugestehen. Selbst die Tonbänder ließen ihn kalt. Er hielt nämlich, wie er später erklärte, die Aufzeichnung seiner Stimme für so entstellt, daß er fest überzeugt war, man würde ihn nie erkennen. Diese Überzeugung hatte ihn gar nicht erst an eine Flucht denken lassen. Nach der Festnahme von Heinz Kroneis hatte Tillmann während eines Wirtshausgesprächs sogar noch eifrig dessen Unschuld verteidigt.
    Der 41jährige, aus einer angesehenen rheinländischen Bürgerfamilie stammende Emil Tillmann schien überhaupt ein eiskalter Bursche zu sein, der nur einen einzigen schwachen Punkt hatte: seine 48jährige Geliebte Anna. Für sie hatte er in der Villa einer älteren alleinstehenden Dame in Stuttgart-Degerloch eine Wohnung gemietet, obwohl er sich das bei seinem bescheidenen Einkommen eigentlich nicht leisten konnte. Anna war noch rechtskräftig verheiratet, doch ihre Ehe bestand schon seit langem nur auf dem Papier. Tillmann, der selbst schon einmal sieben Jahre lang verheiratet gewesen war, gefiel das nicht. Er unterstützte sie finanziell, wo immer er konnte, und verbrachte all seine Freizeit bei ihr. Sein sehnlichster Wunsch war es, Anna zu heiraten. Dazu aber mußte ihre Ehe geschieden werden. Anna jedoch gehörte zu jenen Frauen, die den Spatzen nicht fliegen lassen, ehe sie die Taube im Sack haben. Eine Scheidung kam für sie erst in Frage, wenn Emil mindestens 20000 DM vorweisen konnte. Das aber konnte Tillmann nicht. Woher sollte er, ein kleiner geschäftsuntüchtiger Gärtner, soviel Geld nehmen?
    Anna ließ sich durch nichts erweichen. Da begannen Tillmanns graue Zellen, die bisher stets nur in kleinen Dimensionen krumme Bahnen ersonnen hatten, in größere abzuschweifen. Um jene Zeit wurde in Sizilien ein junger Adliger gekidnappt. Die Zeitungen der BRD hatten ausführlich darüber berichtet. Tillmann las die Berichte aufmerksam und kam auf die Idee, in Stuttgart etwas Ähnliches zu inszenieren. Wochenlang beschäftigte ihn der Gedanke, einen kleinen Jungen aus der Villengegend zu entführen und sicherheitshalber sofort zu töten. Ihm schwebte kein bestimmtes Kind vor, und er dachte auch nicht daran, Auskünfte über geeignete Erpressungsopfer einzuholen. Er wollte irgendein Kind entführen, sich alle wesentlichen Angaben von ihm selbst geben lassen und die Erpressung starten.
    Bis zum 14. April hatte er es bereits mehrmals versucht. Tillmann geriet in Zeitdruck, hatte er doch Anna bereits vorgeflunkert, daß auf einer Bank im Rheinland eine größere Summe auf ihn warte, die er demnächst abzuheben gedenke. Anna drängte. Sie wollte endlich Geld sehen. Als Tillmann nach einer schlaflosen Nacht am Dienstag, dem 15. April 1958, seine Wohnung verließ, war es beschlossen: heute oder nie! Er stahl ein Fahrrad, fuhr damit nach Degerloch und stieß gegen 11 Uhr 30 ganz zufällig auf Joggi, der gerade den Garten seines Freundes verließ. Tillmann versprach, ihm im nahen Wald ein Reh zu zeigen. Joggi stieg zu ihm aufs Rad. Unterwegs plauderte der Kleine munter drauflos. Er nannte seinen Namen und seine Adresse, sagte auch, daß er eigentlich noch gar nicht radfahren dürfte, weil er erst kürzlich am Bauch operiert wurde, und erzählte von seinem Freund.
    Tillmann hörte zu. Später verwechselte er Joggis Namen mit dem seines Freundes und rief irrtümlich mehrmals bei dessen Vater an. So erklärt sich, warum er sich erst so spät bei Rene Goehner gemeldet hat.
    Tillmann fuhr von Degerloch geradewegs zum Haldenwald, verbarg dort das Fahrrad, streifte sich Handschuhe über und führte den Kleinen

Weitere Kostenlose Bücher