Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Anders als bei der schönen Helena kann man schmachtende Liebe als Beweggrund für ein Kidnapping ausschließen. Rache? Bei einer gebrechlichen Alten ist das Risiko hoch, dass sie die Geschichte nicht an einem Stück übersteht.
Dann hast du eine überflüssige Leich und das Malheur. Meistens weißt du nicht, wohin damit. Es gibt ja keine Container wie beim Altglas – vielleicht ein zukunftweisender Gedanke. Zumindest für Urnen, falls der Platz knapp wird. Braun, silber und schwarz getrennt.
Möglicherweise hat der Miran dem Sandner die Birne weich gekloppt. Mit der Konzentration hapert es gewaltig. Kein Wunder, wenn deine Leber dir suggeriert, sie hinge an der Steckdose.
Falls der Tod der alten Brauner von den Entführern einkalkuliert wäre – dann gut Nacht. Lösegeld? Besonders wohlhabend kommst du mit der Beamtenpension nicht daher.
Den Brauner kennt er seit zwanzig Jahren. Bis zu seiner Pensionierung war er eine charismatische Figur innerhalb der Staatsanwaltschaft – quasi Legende. Ein dickköpfiger, gefürchteter Grantler, aber ein kompetenter Kopf – und was für den Sandner essenziell war: Er hat alle Fünfe gerade sein lassen können und ihm manches Mal den Kopf aus der Schlinge gezogen. Ohne dessen Fürsprache wäre er mutmaßlich Ampelersatzkraft oder dürfte in schicker Uniform Katzenaugen an Fahrrädern zählen.
N ach Obermenzing schafft es der Hartinger in zwanzig Minuten – ohne Blaulicht.
An der Würm lässt es sich aushalten. Das haben sie schon vor viertausend Jahren gewusst. Aus der Bronzezeit ist das entdeckte Hockergrabin Obermenzing gewesen. Es lässt sich also auch gut sterben am Fluss. Daran wird der Brauner nicht gedacht haben, als er vor vierzig Jahren seine Zelte hier aufgeschlagen hat. Er wird dereinst kein Bronzeschwert mit ins Grab bekommen, höchstens ein Strafgesetzbuch. Die Zeiten ändern sich und damit das Handwerkszeug für die Rechtsprechung.
Ein gemächliches, sattes Fleckerl Erde. Schloss Blutenburg im stolzen Wappen. Den alten Zehentstadel gibt es noch, allerdings könnten die Bewohner heutzutage schwerlich ihre bäuerliche Abgabe leisten. Sense und Dreschflegel hängen als museale Relikte zur Dekoration in der Stube. Statt Schwielen an den Händen haben die Leut im Stadtteil höchstens Blasen vom Geigeüben.
Brauners Domizil liegt in der Finsterwalder Straße.
Weder finster noch Wald. Gediegene Einfamilienhäuser in Reih und Glied aufgepflanzt. Kein Pomp, keine Kristallkugeln oder tönernes Viechzeug in den Vorgärten. Den soliden Wohlstand der Sechziger strahlen sie aus, die cremefarbigen Gemäuer. Wenn du ein Studierter gewesen bist, damals, oder leitende Arbeitsbiene, ist ein Häuserl drin gewesen – zwei Kinder dazu und fertig verschnürt war der Lebenstraum. Heutzutage musst du eine perverse Ader haben, wenn du dich mit dem Erwerb von Wohneigentum im Münchner Einzugsgebiet beschäftigst. Der Gedanke ist schmerzlicher als die Neunschwänzige – falls dir nicht bereits als kleiner Hosenscheißer die Bauklötze durch Goldbarren ersetzt worden sind.
Im Braunerschen Garten ist der Rasen kurz rasiert, wie das Haupthaar vom Eigentümer, der auf ihr Läuten hin die Tür aufreißt. Als hätte er im Flur auf sie gelauert. Das letzte Mal hat ihn der Sandner zufällig in einem Gasthaus getroffen, bei der turbulenten Verhaftung eines Mordverdächtigen. Der Trachtenjanker scheint derselbe zu sein – der Mann nicht. Gebeugt kommt er daher, gelbliche Gesichtsfarbe, die Augen tief in den Höhlen.
Den Lack hat sie ihm abgeschmirgelt, die Geschichte, und darunter werden die Rostlöcher sichtbar. Selbst argloses Opfer zu werden hätte er sich nicht vorstellen können. Das bringt den Motor zum Stottern.
Ohne ein Wort hinkt der Hausherr vor ihnen her ins Wohnzimmer. Schwer stützt er sich auf seinen Stock.
In der Stube umzingeln deckenhohe Bücherregale die dunklen Kolonial-Sitzmöbel. Seine Klassiker hat der Brauner gelesen. Gewichtige Wälzer in gefärbtes Schweinsleder gebunden. »Wallenstein« von Golo Mann besetzt aufgeschlagen einen Sitzplatz. Wohl der Lesesessel samt passendem Fußschemel und Stehlampe. Ein muffiger, musealer Geruch liegt in der Luft.
Dem Sandner kommt es vor, als müsste er sie mit Händen zerteilen, um sich fortzubewegen. Zum Staubwedeln scheint der Alte nicht oft zu kommen. Auf einem Tisch im Eck ruht ein Hackbrett. Der Oberstaatsanwalt pflegt die Stubenmusi.
Die beiden setzen sich an den Wohnzimmertisch. Massiv und unverwüstlich ist der,
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