Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
möglichen Rivalen betrachtete. »Alveston ist ein gutaussehender, liebenswürdiger junger Mann und weiß zu reden. Sein etwas übersteigertes Selbstvertrauen und seine Neigung, älteren Menschen weniger Respekt entgegenzubringen, als in seinem Alter angemessen wäre – was bei einem so fähigen Menschen sehr bedauerlich ist –, werden im Lauf der Zeit und mit zunehmender Reife sicherlich eine gewisse Mäßigung erfahren. Ich glaube gern, dass er ein stets willkommener Gast in Highmarten ist, finde es jedoch erstaunlich, dass er Mr. und Mrs. Bingley so häufig besucht. Normalerweise sind erfolgreiche Anwälte nicht so freigebig mit ihrer Zeit.«
Da Elizabeth nichts erwiderte, dachte er vielleicht, seine Kritik, die offen ausgesprochene wie die angedeutete, sei unüberlegt gewesen, denn er fügte hinzu: »Andererseits hält er sich immer nur sonnabends oder sonntags in Derbyshire auf oder wenn die Gerichte nicht tagen. Wahrscheinlich studiert er die Akten in seiner Freizeit.«
»Meine Schwester sagt, kein anderer Gast hat jemals so viel in der Bibliothek gearbeitet wie er.«
Wieder entstand eine Pause. Schließlich fragte der Colonel, sehr zu Elizabeths Erstaunen und Unbehagen: »George Wickham wird wohl nach wie vor nicht in Pemberley empfangen, ist das richtig?«
»Nein, niemals. Seit seinem Besuch in Longbourn nach der Heirat mit Lydia haben weder Mr. Darcy noch ich ihn gesehen oder Kontakt zu ihm gehabt.«
Nach einer weiteren, noch längeren Gesprächspause sagte Colonel Fitzwilliam: »Es ist bedauerlich, dass man in seinen jungen Jahren so viel Aufhebens von Wickham gemacht hat. Er wuchs mit Darcy auf wie mit einem Bruder. In der Kindheit mag es beiden förderlich gewesen sein, und wenn man bedenkt, wie sehr der verstorbene Mr. Darcy seinem Verwalter zugetan war, kann man es nur als eine selbstverständliche gute Tat bezeichnen, dass man nach dem Tod des Vaters eine gewisse Verantwortung für das Kind übernommen hat. Doch für einen Jungen von Wickhams Naturell – geldgierig, ehrgeizig, zum Neid neigend – erwies es sich als gefährlich, ein Privileg zu genießen, an dem er nach dem Ende seiner Jugend nicht mehr teilhaben durfte. An der Universität besuchten sie unterschiedliche Colleges, und bei Darcys Kavalierstour durch Europa war er natürlich nicht mit von der Partie. Vielleicht wurden sein Status und seine Erwartungen zu rigoros und zu jäh beschnitten. Ich habe Grund zu der Annahme, dass Lady Anne Darcy die Gefahr vorhersah.«
»Wickham konnte nicht ernsthaft erwarten, an der Kavalierstour teilnehmen zu dürfen«, entgegnete Elizabeth.
»Ich weiß nicht, was er wirklich erwartete, außer dass es immer mehr war, als er verdient hatte.«
»Vielleicht waren die früh gewährten Begünstigungen in gewisser Weise unklug, und es ist immer leicht, das Urteilsvermögen anderer Menschen in Dingen anzuzweifeln, über die wir möglicherweise nicht alles wissen.«
Der Colonel rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Aber für den Vertrauensbruch, den Wickham beging, als er Miss Darcy zu verführen versuchte, gibt es keine Entschuldigung. Solche Niedertracht lässt sich mit keinem Unterschied hinsichtlich Geburt oder Erziehung rechtfertigen. Als Mitvormund von Miss Darcy wurde ich von Darcy selbstverständlich über die Schändlichkeit in Kenntnis gesetzt, habe die Sache aber von mir weggeschoben. Ich spreche auch mit Darcy nie darüber und bitte um Verzeihung dafür, dass ich sie jetzt zur Sprache bringe. Wickham hat sich bei der Niederschlagung der irischen Rebellion hervorgetan und ist jetzt eine Art Nationalheld. Das macht aber die Vergangenheit nicht ungeschehen, auch wenn es ihm die Möglichkeit eröffnet, in Zukunft ein anständigeres und erfolgreicheres Leben zu führen. Soviel ich weiß, hat er seinen Abschied von der Armee genommen, was ich für unklug halte, ist allerdings noch mit militärischen Weggefährten wie Mr. Denny befreundet, der ihn, wie Sie sich erinnern werden, damals in Meryton vorstellte. Aber ich hätte seinen Namen in Ihrer Anwesenheit nicht erwähnen sollen.«
Elizabeth erwiderte nichts. Nach einer kurzen Pause erhob sich der Colonel, machte eine Verbeugung und verschwand. Elizabeth war sich darüber im Klaren, dass das Gespräch weder ihn noch sie zufriedengestellt hatte. Colonel Fitzwilliam waren die von ihm erhoffte rückhaltlose Billigung und die Zusicherung von Elizabeths Unterstützung versagt geblieben, und nun fürchtete sie, dass Kränkung und
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