Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Gutgläubigkeit verdient hatte. Niemals wollte man es natürlich zulassen, dass George Wickham in Meryton noch einmal die weibliche Dienerschaft ihrer Tugend und die Ladenbesitzer ihres Profits beraubte, aber man einigte sich darauf, dass man, sollte seine Ehefrau auftauchen, Mrs. Wickham dieselbe großzügige Nachsicht gewähren würde, die man zuvor Miss Lydia Bennet zugestanden hatte.
Über das Zustandekommen dieser verspäteten Hochzeit herrschte viel Rätselraten. Mr. Bennets Besitz war kaum zweitausend Pfund pro Jahr wert, und man nahm allgemein an, dass Mr. Wickham mindestens fünfhundert sowie die Bezahlung aller seiner in Meryton und andernorts aufgehäuften Schulden fordern würde, ehe er in die Heirat einwilligte. Offenbar hatte Mr. Gardiner, Mrs. Bennets Bruder, das Geld aufgebracht. Er war als warmherziger Mensch bekannt, hatte jedoch Familie und erwartete zweifellos, dass Mr. Bennet es ihm zurückzahlte. In Lucas Lodge herrschte große Angst, das Erbe des Schwiegersohns könnte dadurch eine starke Minderung erfahren. Doch als keine Bäume gefällt, kein Land verkauft, keine Diener entlassen wurden und der Metzger sich nicht abgeneigt zeigte, Mrs. Bennet die übliche wöchentliche Bestellung zu liefern, nahm man an, dass Mr. Collins und die liebe Charlotte nichts zu befürchten hatten und Mr. Collins, sobald Mr. Bennet anständig begraben war, Longbourn in sicherem Vertrauen auf die Unversehrtheit des Anwesens in Besitz nehmen könnte.
Die bald nach Lydias Hochzeit erfolgte Verlobung von Miss Bennet mit Mr. Bingley, dem Herrn von Netherfield Park, fand dagegen großen Beifall. Sie kam auch nicht überraschend, denn die Bewunderung, die Mr. Bingley für Jane hegte, war seit der ersten Begegnung der beiden bei einem Ball offensichtlich gewesen. Miss Bennets Schönheit, Sanftmut und naiver Optimismus hinsichtlich der menschlichen Natur, aufgrund dessen sie niemals schlecht über andere sprach, machten sie zum allgemeinen Liebling. Doch wenige Tage nach Bekanntgabe der Verlobung ihrer Ältesten mit Mr. Bingley sprach sich ein noch größerer Triumph für Mrs. Bennet herum, dem man zunächst ungläubig begegnete. Miss Elizabeth Bennet, die zweitälteste Tochter, würde Mr. Darcy heiraten, den Besitzer von Pemberley, eines der größten Häuser in Derbyshire – einen Mann, der, wie es hieß, über ein Einkommen von zehntausend Pfund pro Jahr verfügte.
In Meryton war allgemein bekannt, dass Miss Lizzy Mr. Darcy hasste. Dieses Gefühl teilte sie mit der Mehrzahl der Gäste des ersten Balls, zu dem Mr. Darcy mit Mr. Bingley und dessen beide Schwestern erschienen war und bei dem er seinen Stolz und seine dünkelhafte Geringschätzung der Anwesenden ausreichend unter Beweis gestellt hatte. Trotz des Drängens seines Freundes Mr. Bingley hatte er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass keine der im Saal befindlichen Frauen es wert sei, seine Bekanntschaft zu machen. Als Sir William Lucas ihm Elizabeth vorstellte, weigerte sich Mr. Darcy allen Ernstes, mit ihr zu tanzen, und erklärte Mr. Bingley später, sie sei nicht hübsch genug, um ihn reizen zu können. Alle waren davon überzeugt, dass es keiner Frau jemals gelingen würde, als Mrs. Darcy glücklich zu sein, und Maria Lucas brachte diese Überzeugung auf den Punkt: »Wer will schon den Rest des Lebens tagein, tagaus am Frühstückstisch einem so übellaunigen Gesicht gegenübersitzen?«
Miss Elizabeth Bennet war jedoch kein Vorwurf daraus zu machen, dass sie eine besonnenere und zuversichtlichere Auffassung vertrat. Schließlich kann man im Leben nicht alles haben, und jede junge Dame in Meryton hätte mehr als nur das übellaunige Gesicht am Frühstückstisch ertragen, hätte sie dafür zehntausend pro Jahr heiraten und die Herrin von Pemberley werden können. Die Damen von Meryton waren durchaus gewillt, die Betrübten pflichtschuldig zu bemitleiden und den Glücklichen zu gratulieren, doch galt es, in allen Dingen Maß zu halten, und Miss Elizabeths Triumph war einfach zu grandios. Sie räumten zwar ein, dass sie hübsch sei und schöne Augen habe, doch davon abgesehen nichts, was sie einem Mann mit zehntausend im Jahr empfehlen könne, und es dauerte nicht lange, da hatte sich ein aus den einflussreichsten Tratschmäulern bestehender Zirkel eine Erklärung zurechtgelegt: Miss Lizzy war seit der ersten Begegnung mit Mr. Darcy entschlossen gewesen, ihn sich zu angeln. Als das Ausmaß dieser Strategie offenkundig geworden war,
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