Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Schwestern war vollkommen.
Die Familien besuchten einander regelmäßig; es gab kaum eine Woche, in der zwischen Highmarten und Pemberley keine Kutsche fuhr. Jane trennte sich zwar kaum je länger als eine Nacht von ihren Kindern, den vierjährigen Zwillingen Elizabeth und Maria sowie dem kleinen, knapp zwei Jahre alten Charles Edward, wusste sie aber in guten Händen bei der erfahrenen und kundigen Mrs. Metcalf, der Kinderfrau, die sich schon um ihren Mann gekümmert hatte, als der noch ein Säugling war. Jetzt freute sie sich darauf, anlässlich des Balls zwei Nächte in Pemberley verbringen zu können ganz ohne die Umstände, die eine Reise mit drei Kindern und Mrs. Metcalf bedeutet hätte. Sie war wie immer ohne ihre Zofe gekommen, doch Belton, Elizabeths tüchtiges Mädchen, kümmerte sich gern um beide Schwestern. Kutsche und Kutscher der Bingleys wurden der Obhut Wilkinsons, des Kutschers von Darcy, anvertraut, und nach dem üblichen Begrüßungstrubel gingen Elizabeth und ihre Schwester Arm in Arm die Treppe zu dem Zimmer hinauf, in dem Jane bei all ihren Besuchen immer wohnte und das direkt neben Bingleys Ankleideraum lag. Belton hatte sich bereits an Janes Truhe zu schaffen gemacht. Sie hängte das Abendkleid und die Ballrobe auf und sollte in einer guten Stunde wiederkommen, um beim Umziehen und Frisieren zu helfen. Die Schwestern, die sich in Longbourn ein Zimmer geteilt hatten, standen sich von Kindesbeinen an sehr nahe. Es gab nichts, worüber Elizabeth mit Jane nicht reden konnte, denn sie wusste, dass diese jede Vertraulichkeit verlässlich für sich behielt und dass alle ihre Ratschläge aus einem gütigen, liebevollen Herzen kamen.
Nachdem sie mit Belton gesprochen hatten, gingen sie wie immer ins Kinderzimmer hinüber. Charles bekam die ersehnte Umarmung und Süßigkeiten, dann spielten sie mit Fitzwilliam, und er las ihnen vor – demnächst sollte er das Kinderzimmer gegen das Schulzimmer und einen Hauslehrer eintauschen. Schließlich setzten sie sich auf einen kurzen, aber gemütlichen Plausch mit Mrs. Donovan zusammen. Mrs. Donovan und Mrs. Metcalf hatten seit fünfzig Jahren miteinander zu tun. Die beiden gutmütigen Despotinnen waren schon früh ein enges Verteidigungs- wie Angriffsbündnis miteinander eingegangen, und übten, von ihren Schützlingen geliebt, von deren Eltern mit allem Vertrauen bedacht, ihre Herrschaft über die Kinderzimmer uneingeschränkt aus – auch wenn Elizabeth den Verdacht hegte, dass Mrs. Donovans Ansicht nach die einzige Aufgabe einer Mutter darin bestand, Nachschub für das Kinderzimmer zu produzieren, sobald das Jüngste aus den ersten Mützchen herausgewachsen war. Jane berichtete von den Fortschritten, die Charles Edward und die Zwillinge gemacht hatten. Dann wurden die in Highmarten angewendeten Erziehungsmethoden besprochen und von Mrs. Donovan gutgeheißen, was nicht verwunderte, denn es waren dieselben wie ihre. Weil nun nur noch eine Stunde blieb, bis man sich für das Dinner umkleiden musste, gingen die beiden Schwestern in Elizabeths Zimmer, um die kleinen Neuigkeiten auszutauschen, auf denen das Glück des häuslichen Lebens sosehr beruht.
Es wäre eine große Erleichterung für Elizabeth gewesen, hätte sie Jane eine weit wichtigere Angelegenheit offenbaren können, nämlich den Antrag, den der Colonel Georgiana zu machen beabsichtigte. Er hatte sie zwar nicht um Stillschweigen gebeten, erwartete aber sicherlich, dass sie als Erstes mit ihrem Mann sprechen würde, und sie fürchtete Janes empfindliches Ehrgefühl zu verletzen, wenn sie ihr die Neuigkeit mitteilte, noch ehe Darcy eingeweiht war. Über Henry Alveston aber wollte sie unbedingt reden und freute sich, als Jane selbst seinen Namen ins Spiel brachte, indem sie sagte: »Schön, dass ihr Mr. Alveston wieder eingeladen habt. Es bedeutet ihm so viel, nach Pemberley kommen zu dürfen.«
»Er ist ein sehr angenehmer Gast, wir freuen uns beide auf ihn«, erwiderte Elizabeth. »Er ist höflich, intelligent, lebhaft und sieht gut aus – ein Bild von einem jungen Mann. Wie kam es doch gleich zu eurer Freundschaft? Hatte ihn nicht Mr. Bingley in der Kanzlei eures Anwalts in London kennengelernt?«
»Ja, vor achtzehn Monaten, als Charles Mr. Peck aufsuchte, um über irgendwelche Geldanlagen zu sprechen. Man hatte Mr. Alveston in die Kanzlei gerufen, weil er einen Mandanten von Mr. Peck vor Gericht vertrat, und da beide Besucher zu früh erschienen, trafen sie im Wartezimmer
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