Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
unbegründeten Ängste zu besänftigen und wenigstens einen Teil ihrer früheren Gemütsruhe zurückzugewinnen.
Das Mittagessen zu viert dauerte nicht lange. Darcy musste sich mit seinem Verwalter besprechen und war ins Herrenzimmer zurückgekehrt, um dort auf ihn zu warten. Elizabeth hatte ein Treffen mit Georgiana im Wintergarten vereinbart, wo sie die Blumen und grünen Zweige begutachten wollten, die der Obergärtner aus den Treibhäusern gebracht hatte. Lady Anne hatte Farbenpracht und verworrene Arrangements geliebt, während Elizabeth sich mit zwei Farben zum Grün der Zweige begnügte und sie in zahlreichen kleinen und großen Vasen arrangierte, so dass in jedem Raum süß duftende Blumen standen. Die Farben für den nächsten Tag sollten Rosarot und Weiß sein, und Elizabeth und Georgiana arbeiteten, vom Gärtner beraten, umhüllt vom durchdringenden Duft üppiger Geranien und langstieliger Rosen. Die feuchte Hitze im Wintergarten war drückend, und mit einem Mal sehnte sie sich nach frischer Luft, nach Wind im Gesicht. Lag es vielleicht an dem Unbehagen, das sie in Georgianas Gegenwart befallen hatte, und an der Zuversicht des Colonels, die wie eine Bürde auf dem Tag lastete?
Plötzlich war Mrs. Reynolds da und sagte: »Madam, Mr. und Mrs. Bingleys Kutsche kommt gerade die Auffahrt herauf. Wenn Sie sich beeilen, sind Sie rechtzeitig an der Tür, um sie zu begrüßen.«
Elizabeth stieß einen Freudenschrei aus und lief, gefolgt von Georgiana, zur Haustür. Stoughton stand schon bereit, um sie zu öffnen, während die Kutsche langsam zum Stillstand kam. Elizabeth rannte in den kühlen, auffrischenden Wind hinaus. Ihre geliebte Jane war gekommen, und einen Augenblick lang fegte die Wiedersehensfreude alles Unbehagen hinweg.
2
D ie Bingleys waren nach ihrer Hochzeit nicht lange in Netherfield geblieben. Bingley war zwar ein überaus duldsamer und gutmütiger Mensch, doch Jane hatte gespürt, dass die große Nähe zu ihrer Mutter weder zur Behaglichkeit ihres Mannes noch zu ihrem Seelenfrieden beitrug. Sie war eine von Grund auf warmherzige Natur und empfand eine starke Loyalität und Liebe zu ihrer Familie, doch Bingleys Zufriedenheit stand an erster Stelle. Beide hatten sich unbedingt in der Nähe von Pemberley niederlassen wollen. Nach Ablauf des Pachtvertrags für Netherfield waren sie kurzzeitig bei Mrs. Hurst, Bingleys Schwester, in London untergekommen und dann erleichtert nach Pemberley gezogen, von wo aus sich bequem eine ständige Bleibe suchen ließ. An dieser Suche war Darcy tatkräftig beteiligt gewesen. Darcy und Bingley hatten zwar dieselbe Schule besucht, sich aber aufgrund des – wenn auch geringen – Altersunterschieds als Knaben nur selten gesehen und waren erst in Oxford Freunde geworden. Darcy – stolz, in sich gekehrt und schon damals menschenscheu – fand Seelentrost in Bingleys Liebenswürdigkeit, in dessen geselligem Wesen und heiterem Vertrauen darauf, dass das Leben stets gut zu ihm sein würde, während Bingley so sehr von Darcys außergewöhnlicher Klugheit und Intelligenz überzeugt war, dass er in wichtigen Dingen nur ungern ohne die Zustimmung seines Freundes tätig wurde.
Darcy hatte Bingley geraten, nicht zu bauen, sondern zu kaufen, und da Jane bereits mit dem ersten Kind schwanger war, galt es, schnell ein Haus zu finden, das sie mit möglichst wenig Aufwand beziehen konnten. Darcy kam seinem Freund zu Hilfe und fand schließlich Highmarten. Jane und ihr Mann waren vom ersten Augenblick an begeistert. Das stattliche, moderne Haus stand auf einer Anhöhe, bot aus allen Fenstern einen weiten, wunderschönen Blick, war geräumig genug für eine Familie und verfügte über hübsche Gartenanlagen und so viel Grund und Boden, dass Bingley Jagden veranstalten konnte, ohne den ungünstigen Vergleich mit Pemberley herausfordern zu müssen. Dr. McFee, der die Familie Darcy und die Dienstboten von Pemberley schon seit Jahren ärztlich betreute, hatte den Herrensitz inspiziert und erklärt, die dortige Situation sei der Gesundheit zuträglich und das Wasser sauber. Die Formalitäten waren schnell erledigt. Es bedurfte nur wenig mehr als einer Renovierung und neuer Möbel, und Jane bereitete es große Freude, mit Elizabeth durch die Zimmer zu streifen und zu entscheiden, in welcher Farbe die Tapeten, die Wände und Vorhänge gehalten sein sollten. Zwei Monate nach der Entdeckung des Anwesens hatten sich die Bingleys darin eingerichtet, und das Eheglück der beiden
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