Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
einzuwenden. Als sie das letzte Mal zum Essen hier waren, versicherte er mir, dass sich ein Ball in Pemberley mit Freunden und Bekannten der Familie niemals schädlich auf Anstand und Moral auswirken könne.«
Bingley flüsterte Georgiana zu: »Was beweist, dass er in Pemberley nie weiße Suppe gegessen hat.«
Die Bemerkung, von allen gehört, brachte die Runde zum Lächeln, ja sogar zum Lachen. Doch die Unbeschwertheit war nicht von Dauer. Anders als sonst gab es keine lebhaften Gespräche über den Tisch hinweg; die ganze Gesellschaft war von einer Trägheit befallen, aus der nicht einmal Bingleys heitere Redseligkeit sie reißen konnte. Elizabeth versuchte den Colonel nicht zu oft anzusehen, doch immer wenn sie es tat, ruhte sein Blick auf dem Paar gegenüber. Georgiana, die ein schlichtes weißes Musselinkleid trug und sich eine Perlenkette ins dunkle Haar geflochten hatte, erschien Elizabeth schön wie nie zuvor, aber der Blick des Colonels war eher grüblerisch als bewundernd. Das junge Paar benahm sich selbstverständlich untadelig; Alveston schenkte Georgiana nicht mehr Aufmerksamkeit als üblich, und Georgiana richtete ihre Äußerungen, sich jeweils nach links und rechts wendend, gleichmäßig an Alveston und Bingley wie ein junges Mädchen, das sich bei seiner ersten Abendgesellschaft pflichtbewusst an die gesellschaftlichen Gepflogenheiten hält. Einen Augenblick gab es allerdings, von dem Elizabeth hoffte, er möge dem Colonel entgangen sein. Als Alveston Wasser und Wein für Georgiana mischte, berührten sich sekundenlang ihre Hände, und über Georgianas Wangen breitete sich kurz eine leichte Röte.
Beim Anblick Henry Alvestons in formeller Abendkleidung fiel Elizabeth einmal mehr auf, wie ungemein gut er aussah. Bestimmt war ihm bewusst, dass er keinen Raum betreten konnte, ohne die Blicke aller anwesenden Frauen auf sich zu ziehen. Sein dichtes mittelbraunes Haar hatte er im Nacken schlicht zusammengebunden. Seine Augen unter den geraden Brauen waren eine Nuance dunkler, das Gesicht strahlte eine Offenheit und Kraft aus, die ihn vor jeder Bezichtigung, zu schön zu sein, bewahrten, und er bewegte sich mit selbstbewusster, ungezwungener Grazie. Sie kannte ihn als lebhaften und unterhaltsamen Gast, doch heute Abend schien selbst er vom allgemeinen Unbehagen befallen. Vielleicht waren sie alle einfach nur müde, dachte Elizabeth. Bingley und Jane hatten zwar nur achtzehn Meilen zurückgelegt, waren aber von starkem Wind aufgehalten worden, und Darcy und sie selbst hatten am Tag vor dem Ball immer wesentlich mehr als sonst zu tun.
Der draußen tobende Sturm trug nicht dazu bei, die Stimmung zu heben. Hin und wieder heulte der Wind im Kamin; dann zischte das Feuer, fauchte wie ein Lebewesen, und wenn sich bisweilen ein brennendes Holzscheit löste und in eindrucksvollen Flammen aufging, wurden die Gesichter der Speisenden in tiefe Röte getaucht, so dass sie wie Fiebernde aussahen. Die Diener huschten fast lautlos hin und her, doch als das Essen schließlich zu Ende war und es Elizabeth gelang, Janes Blick auf sich zu ziehen und anschließend mit ihr und Georgiana durch die Eingangshalle ins Musikzimmer zu gehen, war sie von Herzen erleichtert.
4
W ährend man im Speisezimmer das Essen servierte, war Thomas Bidwell im Anrichteraum mit Silberputzen beschäftigt. Diese Arbeit hatte man ihm vor vier Jahren zugewiesen, nachdem er wegen seiner Knie- und Rückenschmerzen keine Kutschen mehr hatte lenken können, und er war stolz darauf, besonders am Vorabend von Lady Annes Ball. Von den sieben großen Kandelabern, die den Esstisch auf ganzer Länge zieren sollten, waren fünf bereits poliert, und die letzten beiden würden noch an diesem Abend fertig werden. Es war eine langweilige Tätigkeit, zeitraubend und erstaunlich ermüdend, nach deren Verrichtung Rücken, Arme und Hände schmerzten. Aber es war nun einmal keine Arbeit für die Hausburschen und die Mädchen. Letztlich war Stoughton, der Butler, dafür zuständig, doch der hatte genug damit zu tun, die Weine auszuwählen und die Vorbereitungen im Ballsaal zu beaufsichtigen, und sah sich nur in der Verantwortung, das bereits geputzte Silber zu begutachten und nicht, irgendwelche auch noch so wertvollen Gegenstände selbst zu polieren. In der Woche vor dem Ball erwartete man von Bidwell, dass er die meisten Tage und oft bis tief in die Nacht hinein mit umgebundener Schürze am Tisch des Anrichteraums saß, das Familiensilber der Darcys vor sich
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