Der Tod kommt wie gerufen
»Und etwas, das einen Kessel voller Erde anheben kann.«
Kopfschüttelnd tippte Slidell die Nummer in sein Handy.
Vier Stunden später ließ ich mich in meinen Mazda fallen. Die Greenleaf badete im Mondschein. Ich badete in meinem eigenen Schweiß.
Beim Verlassen des Hauses hatte Slidell eine Frau entdeckt, die mit einer kleinen Digitalkamera durch ein Fenster fotografierte. Nachdem er sie verjagt hatte, hatte er zwei Camels geraucht, etwas von Grundbucheintragungen und Steuerdaten gemurmelt und war in seinem Taurus davongerauscht.
Die Spurensicherungstechniker waren in ihrem Transporter davongefahren. Sie würden die Puppen, Statuen, Werkzeuge und alle anderen Artefakte im Forensikinstitut abliefern.
Auch der Transporter des Leichenschauhauses war bereits wieder weg. Joe Hawkins, der diensthabende Todesermittler des MCME an diesem Abend, transportierte die Schädel und das Huhn ins ME-Labor. Die Kessel ebenfalls. Larabee würde über die Sauerei zwar alles andere als begeistert sein, aber mir war es lieber, die Kesselinhalte unter kontrollierten Bedingungen zu untersuchen.
Wie erwartet, hatte der große Kessel die größten Probleme gemacht. Da er ungefähr genauso viel wog wie die Freiheitsstatue, hatte die Bergung eine Winde, viel Muskelkraft und ein ganzes Lexikon farbenfroher Ausdrücke erfordert.
Ich fuhr von dem Grundstück und die Greenleaf hoch. Der Frazier Park vor mir war ein schwarzes Loch in der Stadtlandschaft. Ein Klettergerüst wuchs aus den Schatten, eine silbrige, kubistische Skulptur über dem Schlangengrinsen des Irwin-Creek-Kanals.
Über Westbrook und Cedar fuhr ich am Rand der Innenstadt entlang und dann in südöstlicher Richtung zu meinem eigenen Viertel, Myers Park. In den 1930ern als Charlottes erster Vorort mit Straßenbahnanschluss erbaut, ist das Viertel heute zu teuer, zu schnieke und zu republikanisch. Trotz seiner jungen Jahre erscheint es elegant und grün.
Zehn Minuten, nachdem ich den Third Ward verlassen hatte, stand mein Auto neben meiner Terrasse. Nachdem ich abgeschlossen hatte, ging ich in mein Stadthaus.
Das verlangt einige Erklärungen.
Ich wohne auf dem Anwesen von Sharon Hall, einem Herrenhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert direkt neben dem Campus der Queens University, das in einen Komplex aus Eigentumswohnungen umgewandelt wurde. Mein kleines Nebengebäude trägt den Namen Annex, »der Anbau«. Anbau zu was? Das weiß kein Mensch. Das winzige, zweigeschossige Gebäude taucht auf keinem der Originalpläne des Anwesens auf. Das Haupthaus ist dort vorhanden. Die Remise. Der Kräutergarten und der Park. Kein Annex. Das Ding wurde offensichtlich aus einer Laune heraus erbaut.
Die Spekulationen von Freunden, Familienmitgliedern und Gästen reichen von Räucherhaus über Treibhaus bis hin zu Darre. Es interessiert mich nicht sonderlich, die ursprüngliche Absicht des Erbauers zu ergründen. Obwohl gerade einmal einhundertzehn Quadratmeter groß, genügt das Häuschen doch meinen Ansprüchen. Schlafzimmer und Bad oben. Küche, Esszimmer, Wohnzimmer und Arbeitszimmer unten. Ich zog in das Haus ein, als meine Ehe mit Pete in die Brüche ging. Ein Jahrzehnt später wohne ich immer noch dort.
»Hey, Bird«, rief ich in die leere Küche.
Kein Kater.
»Birdie, ich bin zu Hause.«
Das Summen des Kühlschranks. Eine Serie leiser Schläge von der Kaminuhr meiner Großmutter.
Ich zählte. Elf.
Mein Blick schlich zum Anzeigenlämpchen am Telefon. Keine einzige Nachricht.
Ich stellte meine Handtasche ab und ging sofort unter die Dusche.
Während ich den Kellerdreck mit Grüntee-Duschgel vertrieb, mit Rosmarin-Minze-Shampoo und so heißem Wasser, wie ich es gerade noch ertragen konnte, drifteten meine Gedanken zu dem so grausam dunklen Signallämpchen des Anrufbeantworters und zu der Stimme, die ich zu hören hoffte.
Bonjour, Tempe. Du fehlst mir. Wir sollten reden.
Ein Bild blitzte auf. Schlaksige Gestalt, sandfarbene Haare, Carolina-blaue Augen. Andrew Ryan , lieutenant-détective, Section des crimes contre la personne, Sûreté du Québec.
Hier also die Geschichte mit Quebec. Ich habe zwei Jobs, einen in Charlotte, North Carolina, USA, einen in Montreal, Quebec, Kanada, wo ich forensische Anthropologin für das Bureau du Coroner bin. Ryan ist Detective im Morddezernat der Provinzpolizei. Mit anderen Worten, bei Morden in La Belle Province kümmere ich mich um die Opfer und Ryan ermittelt.
Als ich vor Jahren in dem Institut in Montreal anfing, hatte Ryan den
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