Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
ich an.
Stefanie weint. Ich halte ihre Hand und fühle mich ihr wieder näher, als ich es haben möchte. Wir fahren schmale Feldwege oberhalb Schottens, Richtung Hoherodskopf. Wege, die ich von unzähligen Hundespaziergängen kenne. An einer Schneise bittet Stefanie mich anzuhalten. Wir steigen aus und hasten eine gute Viertelstunde quer durch den Wald. Von weitem sehe ich fünf Wildschweine im Gänsemarsch durch den Vogelsberg rennen. Wir hetzen an einer alten Burgruine vorbei, in deren Steinüberresten, so erinnere ich mich in diesem Moment, ich als Kind häufig gespielt habe.
Wenig später erreichen wir Gregor Assmanns Männerhütte. Die Tür ist verschlossen. Also schlagen wir ein Seitenfenster ein und klettern hindurch. Ich schneide mich natürlich an einer der Scherben. Ganz ohne Panne kann es auch jetzt nicht gehen. Festgebunden auf einem Stuhl sitzt ein verängstigter Adrian Albrecht mit verheulten Augen und dunklen Flecken im Schritt. Wir binden ihn los, und ich rede irgendetwas Beruhigendes auf ihn ein.
Er scheint unverletzt. Einen Krankenwagen zu rufen ist nicht nötig, entscheide ich.
«Das ging ja schnell», schreit er mich an. «Waren ja nur sieben Tage.»
«Halt’s Maul», blaffe ich zurück. «Lasse Assmann sitzt jetzt schon viel länger in der Jugendpsychiatrie.»
Stephanie blickt ihn lange an und fragt dann ganz ruhig: «Warum hast du das gemacht?»
AA zuckt mit den Schultern. «Warum nicht?»
«Was hat Lasse dir getan?»
Er schließt die Augen. Wieder zuckt er mit den Schultern. «Ich hatte alles im Griff. Ich konnte das alles steuern. Hatte die Kontrolle. Das hat einen scheiß Spaß gemacht. Keiner von den Jungs hätte gedacht, dass ich so etwas durchziehe. Aber wenn ich was starte, dann richtig. Es musste einer sein, dem das keiner zutraut. Da kam mir der kleene Assmann genau recht, der Pisser.»
«Der Pisser bist du», sage ich mit Blick auf seine durchnässte Hose.
«Mein Gott, es war doch nur ein Spiel. Was kann ich dafür, wenn der Munker die Murnau absticht? Damit hatte ich doch nichts zu tun. Ich wollte nur ein bisschen Fun … aber ihr, ihr dreht alle gleich so am Rad.»
«Ich glaube, das reicht jetzt», sage ich, packe ihn am Arm und ziehe ihn nach oben. Adrian ist noch sichtlich wackelig auf den Beinen, aber es geht. Danach machen wir uns auf den Weg zurück durch den Wald zum Auto.
Ich hatte also recht. Es setzte sich einfach so, nach und nach wie ein Puzzlespiel zusammen. Zuerst dieses eigenartige Verhalten von Gregor Assmann im Café. Als er mich so unterdrückt verärgert damit konfrontierte, dass ich etwas mit seiner Frau hätte. Wenn man in seiner Nähe war, spürte man immer stärker seine berufliche Frustration und Resignation, gepaart mit einer viel tiefer sitzenden Wut.
Dann war er es, der die Drohbriefe im Kirchturm fand. Warum sollte er da nicht auch etwas finden, das auf Adrian hindeutet? Und als Stefanie mir von dieser Männerhütte erzählte, entwickelte ich die Phantasie, dass er Adrian dorthin verfrachtet haben könnte. Doch gleichzeitig blieb es auf der anderen Seite für mich bis zum letzten Moment auch kaum vorstellbar. Nun also ist zum Glück alles glimpflich ausgegangen. Ich bin erschöpft und erleichtert und freue mich auf eine ausgiebige Badewanne zu Hause.
Stattdessen sehe ich Manni Kreutzers Motorrad in unserer Einfahrt stehen. Zu sagen, dass ich mich freue, wäre gelogen.
Ich betrete unser Haus und höre Mannis brachiale Stimme von der Terrasse. Auf der Gartenbank sitzt meine Familie vor ihm und feixt.
«Hey, Henning, alter Freund und Kupferstecher, du kommst genau richtig», begrüßt mich Kreutzer. «Deine Familie wollte unbedingt was von meinem Krimi vorgelesen bekomme, oder?»
Laurin schreit «Ja», Franziska nickt und beißt sich auf die Unterlippe, und Melina stehen vor lauter unterdrücktem Lachen bereits Tränen in den Augen.
«Also, wenn du willst, Henning, kannste den Schluss noch mithören.»
Franziska hebt Laurin auf den Schoß und klopft mit ihrer Hand auf die frei gewordene Sitzfläche. Ich nehme Platz und lege den Arm breit über die Rückenlehne, sodass ich das Gefühl habe, meine ganze Familie umarmen zu können. Franziska legt ihren Kopf auf meine Schulter, und wir lauschen dem Rezitator:
So gingen Fred, Margarete und Müller gemeinsam zum Hintereingang, der hinter dem Haus war. Der Nazi-Entführer musste noch im Gebäude sein, das roch Fred gegen den Wind, der ihm kühl um die Nase pfiff, während der Himmel sich
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