Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
«Das sah irgendwie komisch aus. Ich hatte diese Typen schon den ganzen Abend im Visier. Wollte sehen, wie diese Kumpels von dem Typ so drauf sind, der mein Handy geklaut hat und mich fertigmachen wollte.»
Melina rotzt sich Blut aus der Nase wie Wladimir Klitschko in der zwölften Runde.
«Ich bin dann hinterher», redet Faton weiter, «und als ich dann gesehen habe, dass der eine dem Mädel das Hemd zerreißt, bin ich hingerannt und hab denen Bescheid gegeben.»
«Danke», sage ich, atme noch mal tief durch und schaue wieder zu meiner Tochter.
«Die Drecksäue», flucht sie.
«Woher wissen Sie eigentlich das mit dem Handy?», frage ich Faton.
«Na, von euch, Ihre Kollegen waren doch gestern bei mir. Dieser Albrecht geht ins gleiche Fitnessstudio wie ich. Da muss er mir das geklaut haben, der Penner. Und die anderen beiden Schwachmaten kenne ich auch von dort, vom Sehen.»
Ich nicke und wende mich wieder Melina zu.
«Haben die dir irgendwas, haben die dich … angefasst, oder so?»
«Nee, zum Glück kam er dann ja und hat die vertrieben.»
Was habe ich nur für ein tapferes, toughes, starkes Mädchen, denke ich, im klaren Bewusstsein, dass sie das mit Sicherheit nicht von mir hat. Langsam macht sich trotz der blutenden Nase meiner Tochter ein ungeheures Gefühl der Erleichterung breit.
Faton, der inzwischen aufgestanden ist, richtet sich noch einmal die Nase, knackst kurz mit den Fingern und sagt: «So, da wollen wir mal gucken, wo die beiden Vollpfosten sich jetzt so rumtreiben …»
«Stopp», rufe ich. «Lassen Sie das bitte. Ich rufe jetzt meine Kollegen an, die werden die beiden suchen und finden.»
«O.k., o.k.», murmelt Faton Thaqi und nimmt Gott sei Dank von seinem Vorhaben Abstand. «Gibt’s was Feigeres? Zwei Männer gegen ein Mädel. Was würde ich denen so gerne …»
Ja, würde ich auch. Doch es ist an der Zeit, Vernunft walten zu lassen, und ich rufe im selben Moment bei meinen Kollegen an.
Mir geht diese Sauferei in scheinbar allen Lebenslagen vor allem bei meinen Mitmännern gehörig auf die Nerven. Bei Geselligkeit geht’s scheinbar nicht ohne, bei Verbrechen auch nicht.
Man müsste bei der Polizei Osthessen mal eine Untersuchung in Auftrag geben, wie viel Gewalttaten unter Alkoholeinfluss geschehen. Vermutlich gibt es die schon längst, nur haben mich bisher Verbrechensstatistiken recht wenig interessiert. Munker ist Alkoholiker. Nüchtern hätte er Ellen Murnau niemals erstochen. Nüchtern hätte er auch gar keinen Grund dazu gehabt. Müllo und Sebi sind sturzbetrunken über die Tochter eines Hauptkommissars hergefallen. Nüchtern würde ich selbst diesen beiden Deppen so eine Dummheit nicht zutrauen. Das Positive an diesen Saufereien ist, dass sich die Kerle nach ihren jeweiligen Verbrechen so dämlich verhalten haben, dass es selbst für mich leichtes Spiel war, sie zu überführen. Auch wenn ich zugebe, dass nüchterner Zufall ebenfalls mit im Spiel war.
Wenn das, was in den letzten Wochen hier in unseren beschaulichen Vogelsberger Breiten geschehen ist, in einem Roman zu lesen oder im Fernsehen zu sehen wäre, würde dies kaum einer für glaubhaft halten. Doch es ist nun einmal so, dass die Fiktion oft von der Realität eingeholt wird. Nicht zu fassen, wie eng all diese Geschehnisse mit meinem eigenen Leben und den dazugehörigen Personen verknüpft sind. Melina war die Freundin von Adrian, der verschwunden ist und vorher den Sohn meiner Affäre unter Druck gesetzt hat. Das glaubt einem doch kein Mensch. Zum Glück ist Munker nicht mein Schwager.
Müllo und Sebi konnten von Kollegen aus Lauterbach problemlos in der Nähe des Festzeltes festgenommen werden. Nun nüchtern sie aus und werden morgen von Markus Meirich vernommen werden. Markus versprach mir erneut, mich auf dem Laufenden zu halten. Noch immer fehlt von Adrian Albrecht jede Spur. Und mein Gefühl sagt mir leider eher, dass etwas Furchtbares passiert ist, als dass er auf der Flucht ist.
Vielleicht mag mir keiner glauben, wenn ich an dieser Stelle behaupte, dass ich ahne, nein mehr noch, dass ich fast sicher bin, zu wissen, was mit Adrian passiert ist. Ich bin weit davon entfernt, für meinen Verdacht Beweise zu haben, trotzdem. Doch nichts überstürzen, Herr Bröhmann, nur ruhig mit den jungen Pferden, abwarten und Tee trinken und vor allem vorher noch einmal in die Kirche gehen.
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44. Kapitel
D as erste Mal seit Ellen Murnaus Beerdigung sitze ich wieder auf einer der harten
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